Coronakrise Bewerberrückstau

Das Coronavirus hat in den letzten Monaten nahezu alle Branchen auf den Kopf gestellt. Die Ausbildung der Referendare ist davon nicht ausgenommen, da sowohl im Unterricht, als auch im Examen Menschenmengen kaum zu vermeiden sind. Aus diesem Grund wurden Examenstermine und Neueinstellungen nach hinten verschoben oder zahlenmäßig begrenzt. Wie sich dies langfristig auf zukünftige JuristInnen-Generationen auswirkt, warum sich bundeslandspezifische Unterschiede ergeben, und welche Tipps es für Betroffene gibt – das erfahrt Ihr in diesem Artikel.

 Wie konnte es zu einem Bewerberrückstau für ReferendarInnen kommen?

Es gibt mehrere Gründe, warum die Coronakrise zu einem Bewerberrückstau bei den Ausbildungsplätzen für Referendarinnen und Referendare geführt hat:

Verschiebung von Examensterminen

Da die Examensklausuren aufgrund von Ansteckungsgefahren und Hygieneauflagen insbesondere  während des Lockdowns nicht zum gewohnten Zeitpunkt stattfinden konnten, wurden diese verschoben. Dies hatte natürlich zur Folge, dass sich das Ausbildungsverhältnis der Referendare um einige Monate verlängerte. Da jede Referendarin und jeder Referendar einen Unterhaltszuschuss erhält, stellt dies ebenfalls eine nicht zu unterschätzende finanzielle Mehrbelastung für die ausbildenden Organisationen dar.

Verschiebung von Neueinstellungen = finanzielle Doppelbelastung für die Bundesländer?

Die Verschiebung der Neueinstellungen hatte gleich mehrere Gründe. Da die früheren Jahrgänge teilweise noch immer nicht ausgeschieden waren, hätte die Neueinstellung der Folgejahrgänge zum gewohnten Zeitpunkt zum einen zu Kapazitätsengpässen, zum anderen zu einer finanziellen Doppelbelastung der Bundesländer geführt. Zudem spielten natürlich Abstandsregelungen und Hygieneauflagen eine wichtige Rolle. Die Gerichte waren, wie beispielsweise viele Universitäten und Behörden, zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf digitale Lehrmethoden, Homeoffice oder virtuelle Verhandlungen eingestellt. Erst nach und nach wurden diese Angebote erweitert und routiniert.

Diese Bundesländer stellten weniger ReferendarInnen ein

In einigen Bundesländern wurden die Neueinstellungen nicht nur verschoben, sondern teilweise auch reduziert. Problematisch daran ist, dass sich neue Bewerbungen immer weiter aufstauten und so die Warteliste länger und länger wurde. Für angehende Juristinnen und Juristen verzögerte sich so der Start ins Berufsleben um mindestens ein halbes Jahr. Auch die Bewerbung in benachbarten Bundesländern war nicht immer eine Lösung, wenn diese selbst bereits am Rande ihrer Kapazitätsgrenze waren.

Wie sieht es in den einzelnen Bundesländern aus?

Wenig überraschendist, dass es keine bundeseinheitliche Lösung gibt. Zum einen ist das Referendariat in jedem Bundesland unterschiedlich, zum anderen haben die Bundesländer nach Ausbruch der Pandemie unterschiedlich reagiert. Dies führt dazu, dass der Bewerberrückstau in einigen Bundesländern stärker, in anderen nahezu gar nicht zu spüren ist.

Schleswig-Holstein und Berlin reduzieren Neueinstellungen

In Schleswig-Holstein entsprechen die oben genannten Szenarien derzeit der Realität. Da aufgrund der Coronakrise die Termine für das Zweite Staatsexamen nach hinten verschoben wurden, reicht das Budget für die Unterhaltsbeihilfen derzeit nicht aus. Daraus resultiert eine Einstellung im Oktober 2020 von lediglich zwanzig Referendarinnen und Referendaren. Normalerweise werden zu diesem Zeitpunkt etwa fünfzig eingestellt. Da die Plätze nach der Abschlussnote im Ersten Staatsexamen vergeben werden, steigt so außerdem der Konkurrenzdruck. Es wurde jedoch bereits angekündigt, dass für die folgenden Einstellungstermine zusätzliche Plätze geschaffen werden sollen.Somit ist zu erwarten, dass der Bewerberrückstau relativ schnell wieder aufgefangen werden kann.

Ein ähnliches Szenario spielt sich in Berlin ab. Statt 144 Bewerberinnen und Bewerbern konnten durch die Pandemie im Mai lediglich dreißig neue ReferendarInnen eingestellt werden. Aufgrund von Kapazitätsproblemen konnten hier die folgenden Einstellungstermine jedoch nicht über die 144 hinaus aufgestockt werden. Ein länger anhaltender Bewerberrückstau ist jedoch auch in Berlin nicht zu erwarten, da bei den folgenden Einstellungsterminen die Einstellung wieder wie gewohnt ablaufen soll. Viele der BewerberInnen haben sich außerdem in Brandenburg beworben, was die Lage in Berlin zusätzlich entschärft. Zwar werden auf diese Weise die Wartelisten in Brandenburg entsprechend länger. Dank der Bewilligung von zusätzlichen Mitteln für das Land Brandenburg konnte jedoch auch hier ein langfristiger Bewerberrückstau verhindert werden. Wer statt in Berlin in Brandenburg sein Referendariat absolviert, kann sich zwar über ein höheres „Gehalt“ freuen – muss aber im Zweifel pendeln.

Nordrhein-Westfalen konnte Bewerberrückstau auffangen

Da in Nordrhein-Westfalen der Einstellungstermin für April komplett entfallen ist, könnte man annehmen, dass der Bewerberrückstau dort sehr gravierend ausfällt. Da hier die Einstellungen jedoch sehr engmaschig stattfinden, konnten die Bewerberinnen und Bewerber aus dem Monat April direkt im Einstellungstermin für den Mai aufgenommen werden. Der Bewerberrückstau konnte auf diese Weise bereits innerhalb eines Monats aufgefangen werden.

Hessen – Flexibilität an oberster Stelle

Hessen ging bereits während der Pandemie einen Sonderweg. Den Examenskandidatinnen und -kandidaten wurde die Wahl eingeräumt, ob sie die Prüfung antreten wollen oder nicht. Da von diesem Wahlrecht jedoch verhältnismäßig wenige Prüflinge Gebrauch gemacht haben, hielt sich der Bewerberrückstau im Land Hessen generell in Grenzen. Außerdem geht auch das Haushaltsrecht des Landes Hessen einen Sonderweg. Hier können ReferendarInnen formal auch auf andere freie Stellen innerhalb der Justiz verteilt werden. Mögliche Aufstockungen können, wenn nötig, relativ flexibel gehandhabt werden.

Niedersachsen – trotz Verschiebungen noch auf Kurs

Obwohl in Niedersachsen das ganze Jahr über die Examenstermine pandemiebedingt verschoben werden mussten, ist von einem Bewerberrückstau nichts zu spüren. Denn alle Neusteinstellungen konnten bisher finanziell gut aufgefangen werden und wie geplant stattfinden.

Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern – Aufwärtstrend sichtbar

Ebenfalls überraschend ist der Aufwärtstrend der Bundesländer Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Während andere Bundesländer die Neueinstellungen größtenteils verringert haben, ist hier im Sommer und Herbst 2020 sichtbar, dass im Vergleich zu den Vorjahren die Anzahl der Neueinstellungen sogar gestiegen ist.

Sachsen und Hamburg – haben Übergangsphase im Griff

Sachsen konnte für die Übergangsphase bis Mai 2021 zusätzliche Stellen schaffen. Auch hier hatten sich etwa fünfzig ReferendarInnen dazu entschieden, ihr Examen um ein halbes Jahr zu verschieben. Ebenfalls in Hamburg ist ein Rückstau nicht spürbar vorhanden, da der finanzielle Mehraufwand, der durch die späteren Prüfungstermine entstanden ist, haushaltstechnisch problemlos aufgefangen werden konnte.

Welche Bundesländer haben ein besonders gutes Krisenmanagement bewiesen?

Ein gutes Krisenmanagement konnten von Anfang an das Saarland, Thüringen, Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz und Bremen vorweisen –  aus diesem Grund ist hier mit einem Bewerberrückstau nicht zu rechnen.

Fazit – langfristiger Bewerberrückstau bisher vermieden

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten konnte nahezu jedes Bundesland einen Bewerberrückstau auf lange Sicht vermeiden. Folglich müssen Bewerberinnen und Bewerber nicht fürchten, durch die Coronakrise beruflich hinterherzuhinken. Eine Verzögerung von mehr als einem halben Jahr ist bisher in keinem Bundesland eingetreten. Beruflich gesehen handelt es sich hierbei um einen zu vernachlässigenden Zeitraum – noch dazu, wenn dieser vom jeweiligen Bewerber bzw. der jeweiligen Bewerberin möglicherweise dazu genutzt werden kann, Berufserfahrung, z. B. in Form von Praktika zu sammeln und sich auf das Zweite Examen vorzubereiten. Doch: Der weitere Verlauf der Pandemie und seine Auswirkungen sind noch unklar – es bleibt zu hoffen, dass auch in Zukunft Referendarinnen und Referendare ihre Ausbildung ohne größere Lücken fortführen können.

Welche Tipps kann man den Betroffenen geben?

  • Mehr Zeit für Klausurvorbereitung sinnvoll nutzen
  • Zeit nutzen, um die Nerven zu beruhigen
  • In der Wartezeit Lebenslauf aufbessern und Berufserfahrung sammeln

Linktipps

  • Dieser Referendariats-Guide informiert über aktuelle Wartezeiten.
  • Merkblätter und aktuelle Infos der OLG zu Einstellungsterminen checken, so zum Beispiel beim OLG Düsseldorf
  • Nebenjobs für Referendare findet Ihr hier.
Foto:Adobe.Stock/©fotomek
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