Examensritter

Viele ExamenskandidatInnen nehmen zur Vorbereitung auf ihre Staatliche Pflichtfachprüfung Repetitorien in Anspruch, die sie fachlich weiterbringen sollen. Doch Prüfungsangst und Stress machen Studierende häufig mit sich selber aus. Auch Universitäten bieten hier meist keine Hilfe. Um diese Lücke zu schließen, haben Lucas Kleinschmitt und Dr. Sven-Alexander von Normann den systematischen Online-Kurs Examensritter entwickelt. Er soll Studierenden effektiv dabei helfen, Examensdruck zu bewältigen. Im Interview mit mkg-jura-studis.de verraten Sie, welche Kompetenzen im Kurs vermittelt werden – und warum man lieber zu früh als zu spät Unterstützung in Anspruch nehmen sollte.

Lieber Herr Kleinschmitt & Herr von Normann, wie ist die Idee für Examensritter entstanden und was war Ihre Motivation bei der Gründung und Umsetzung des Projekts?

Sven-Alexander v. Normann: Wir sind beide Volljuristen und haben die lange Vorbereitung, die Nervosität vor dem Umdrehen des Sachverhalts der Examensklausuren und das Herzklopfen vor den mündlichen Prüfungen bei uns selbst und vielen KommilitonInnen hautnah miterlebt. Während unserer Examensvorbereitungszeit haben wir mehrfach Bekannte in der Bibliothek in Tränen ausbrechen sehen und wussten in diesem Moment noch nicht, wie wir ihnen helfen können. Weil im Jurastudium fast nur die Examensnote zählt, ist der Druck bei allen wirklich extrem. Die Repetitoren und Professoren haben immer gesagt: Im Examen wird auch die Fähigkeit abgefragt, mit Druck umzugehen. Aber niemand hat uns das beigebracht! Stattdessen konzentriert sich alles auf die Vermittlung des fachlichen Wissens.

Für die meisten ist das Thema dann erledigt, wenn sie die Examina hinter sich haben. Aber Lucas betreibt eine Ausbildungsplattform für JuristInnen, Juratopia, und hat dadurch auch Jahre nach seinen eigenen Examina immer wieder miterlebt, wie sich jeder Durchgang an Examenskandidaten mit denselben Problemen von Stress und Druck plagt.

Ich habe mich auf meiner Webseite BeYourBest jahrelang mit Themen wie Erfolgspsychologie und Spitzenleistung unter Stress auseinandergesetzt und kannte die Situation unter JuristInnen aus eigener Erfahrung und aus meinem Bekanntenkreis natürlich auch.

Lucas Kleinschmitt: Irgendwann haben wir uns dann zusammengetan, um eine Lösung zu schaffen: Examensritter. Bei der Entwicklung des Kurses hat uns vor allem motiviert, ein Konzept zu entwickeln, das Strategien speziell für die Herausforderungen der Staatsexamina anbietet. Wir finden, das war lange überfällig. Wenn wir jetzt Rückmeldung von TeilnehmerInnen bekommen, die uns erzählen, wie viel besser es Ihnen seit Examensritter geht, ist das ein Wahnsinnsgefühl.

Was würden Sie aus eigener Erfahrung sagen, welchen Anteil eine beruhigte Psyche bei Ihnen etwa am Erfolg im Examen (im Gegensatz zur fachlichen Vorbereitung) hatte?

Lucas Kleinschmitt: Als erstes ist es wichtig zu wissen, dass sich eine beruhigte Psyche doppelt positiv auswirkt: Während der Examensvorbereitung und dann natürlich auch in der Klausurensituation bzw. der mündlichen Prüfung. Eine gute mentale Einstellung beeinflusst schon die fachliche Vorbereitung. Wir haben es oft erlebt, dass sich Studierende aus Angst in Vermeidungstechniken flüchten und dann entweder zu wenig lernen oder keine Übungsklausuren schreiben. Wer es schafft, mit Mut und ein bisschen Spaß in die Examensvorbereitung zu gehen, wird sich besser vorbereiten.

„Wir haben es oft erlebt, dass sich Studierende aus Angst in Vermeidungstechniken flüchten und dann entweder zu wenig lernen oder keine Übungsklausuren schreiben.“

Sven-Alexander v. Normann: Wir wollen auch gleich mit einem Vorurteil aufräumen: Es geht nicht darum, total ruhig zu sein und nie Druck zu verspüren. Wir kennen niemand, der während der Examensvorbereitung nicht mal verzweifelt oder gestresst war. Aber wenn das im Rahmen bleibt und man richtig damit umzugehen weiß, kann man es sogar als Motivationshilfe nutzen, um intensiver und effektiver zu lernen. Außerdem spielt die mentale Verfassung natürlich auch im Examen selbst eine wichtige Rolle. Viele Leute bereiten sich wirklich viel vor, schreiben gute Probeklausuren und schneiden im Examen trotzdem nicht so gut ab, wie sie eigentlich könnten. Sie wissen nicht, wie sie mit dem enormen Druck umgehen sollen.

Das macht sich vor allem bemerkbar, wenn plötzlich eine Examensklausur auf dem Tisch liegt, die einem gar nicht liegt. Davon gibt es in jedem Examensdurchgang mindestens eine. Wenn man dann die Nerven behält und mit selbstbewussten Formulierungen eine Lösung erarbeitet, macht das einen riesigen Unterschied und man kann sogar richtig Punkte abräumen. Das geht aber nur, wenn man vorher die notwendigen Strategien gelernt hat, um cool zu bleiben.

Welchen Anteil hatte die Psyche bei uns persönlich? Tja, das ist eine schwere Frage. Nur weil wir – Jahre nach unseren Examina – Examensritter entwickelt haben, wollen wir uns hier gar nicht als die coolen Helden darstellen, die mit Sonnenbrille und Zigarre im Mundwickel in den Klausurenraum geschlendert sind. Wir haben den Druck auch gespürt und wissen, wie stressig die Examenszeit ist. Aber wir haben es irgendwie geschafft, uns auf den Prozess des Besserwerdens zu konzentrieren und auf eine gewisse Art Spaß daran zu haben. Wir nennen das den „Wettkampfmodus“ – angespannt und aufgeregt, was kommt. Aber voller Konzentration und Lust, unser Bestes zu geben.

Welche Kompetenzen werden im Online-Kurs vermittelt?

Lucas Kleinschmitt: Wir gehen zum einen das Thema Stress und negative Gedanken an und erklären den TeilnehmerInnen, wie ihre Gedanken sie wieder unterstützen statt sie ständig herunterzuziehen. Außerdem legen wir auch einen Fokus auf die sehr lange Examensvorbereitung und helfen den TeilnehmerInnen dabei, durchzuhalten. Dabei geht es vor allem auch darum, wie man sich emotional und mental Erholung gönnen kann und die ständigen Schuldgefühle los wird – viele JuristInnen haben das Gefühl, jede freie Sekunde mit der Examensvorbereitung verbringen zu müssen, und finden überhaupt keine Ruhe mehr.

In Anlehnung an viele Spitzensportler, die vor ihren Wettkämpfen immer dieselbe Vorbereitung durchlaufen, um dann auf den Punkt volle Leistung zu bringen, entwickeln die TeilnehmerInnen eine eigene, speziell auf ihre Bedürfnisse angepasste „Examensroutine“. Diese können sie dann vor den Klausuren und der mündlichen Prüfung nutzen, um optimistisch und konzentriert ins Examen zu gehen.

Sehr beliebt ist auch unsere Bonus-Lektion, in der wir uns mit Zeitnot in Klausuren beschäftigen. Sehr viele Studierende und Referendare kommen mit der Zeitvorgabe für die Klausuren nicht zurecht. Nach unserer Erfahrung ist dafür häufig auch die psychische Einstellung mitverantwortlich. Darauf gehen wir im Detail ein und helfen den TeilnehmerInnen, ihre mentale Herangehensweise an die Klausur selbst zu ändern, um sie effektiver zu bearbeiten und schneller fertig zu werden.

Darüber hinaus schauen wir uns den letzten Monat vor dem Examen genauer an, den viele als psychisch besonders anspruchsvoll empfinden. Wir beschäftigen uns auch damit, wie man in der Klausur mit einem Black-out umgeht und auf vielfache Nachfrage haben wir inzwischen auch eine Lektion zum Thema „Besser Schlafen“ eingebaut.

Was bekommen Sie für Rückmeldungen von den KursteilnehmerInnen?

Sven-Alexander v. Normann: Die TeilnehmerInnen können sich während des gesamten Kurses mit uns, aber auch untereinander, austauschen. In der Einführung bitten wir alle darum, sich kurz (anonym) vorzustellen und ihre Situation zu schildern. Es tut den TeilnehmerInnen nicht nur selbst gut, ihre Gedanken schriftlich zu formulieren. Wenn sich jemand das erste Mal einloggt, sieht er oder sie als erstes eine unendliche Liste von Kommentaren, in denen andere Studierende und Referendare ganz ähnliche Probleme und Sorgen beschreiben wie die eigenen. Viele schreiben uns dann: „Wow, das war ein tolles Gefühl, zu sehen, dass ich mit meinen Sorgen nicht alleine bin!“

Das zeigt in unseren Augen ein klassisches Problem der juristischen Ausbildungskultur. Alle markieren den „Starken“, die Themen Examensstress und Prüfungsangst werden totgeschwiegen. Probleme werden meistens externalisiert: „Das ist doch viel zu viel Stoff!“ „ oder „Das Examen ist unfair!“. Deshalb glauben viele, mit diesen Problemen alleine zu sein.

„Alle markieren den „Starken“, die Themen Examensstress und Prüfungsangst werden totgeschwiegen“

Interessanterweise trifft das ganz besonders auf diejenigen Kandidaten zu, bei denen es um die besseren Noten geht. Viele denken, dass sie mit ihrer Angst, das Prädikat zu verfehlen, alleine sind. Bei Examensritter merken sie, dass das nicht so ist – allein das sorgt oft schon für Erleichterung.

Über den Verlauf des Kurses bekommen wir dann konkrete Rückmeldung zu den verschiedenen Inhalten. Hier findet auch viel Selbstreflexion statt. Viele TeilnehmerInnen merken, dass sie bisher zu „verbissen“ waren, andere haben „Aha“-Momente, wenn sie bestimmte Gedankenmuster identifizieren, die sie bisher ausgebremst haben. Manche strukturieren ihre komplette Examensvorbereitung neu, während sie an Examensritter teilnehmen.

Was genau der größte Hebel für den Einzelnen ist, ist von Teilnehmer zu Teilnehmer unterschiedlich. Das Entscheidende für uns ist: Wir bekommen die Rückmeldung, dass der Kurs ihnen hilft, ruhiger und effektiver durch die Examenszeit zu gehen. Und das wirkt sich nicht nur auf die TeilnehmerInnen selbst aus, sondern auch auf ihre Familien. So hat uns neulich zum Beispiel eine Teilnehmerin geschrieben, dass auch ihr Freund uns dankbar sei, weil die Beziehung nun für beide wieder viel angenehmer sei.

Vor ein paar Monaten wurde Lucas zufällig von der Mutter einer anderen Teilnehmerin angesprochen, die sich bei ihm bedankt hat, weil ihre Tochter seit Examensritter wie ausgewechselt ist. „Wie ein Schalter umgelegt“, war ihre Beschreibung. Oft unterschätzt man, wie es sich auf die Mitmenschen auswirkt, wenn man sich selbst gestresst und überfordert fühlt.

Man hört von Fachstudienberatungen, dass Jurastudierende sich häufig zu spät Hilfe holen, dass das Thema Scheitern und Druck im Studium insgesamt zu wenig thematisiert wird. Jurastudierende, die abbrechen, sind bekannt dafür, dass sie dies im Vergleich zu Bachelorstudierenden eher spät tun. Würden Sie dazu raten, sich früher mit dem Thema psychischer Druck auseinanderzusetzen und Angebote wie Ihres in Anspruch zu nehmen?

Lucas Kleinschmitt: Absolut. Wir bekommen tatsächlich oft Anfragen von Studierenden oder Referendaren, ob es noch zu früh ist, sich zu dem Kurs anzumelden. Wir antworten in den allermeisten Fällen: Je früher, desto besser. Umso eher man lernt, mit dem Druck richtig umzugehen und ihn positiv für Studium und Referendariat zu nutzen, desto früher nimmt man auch die oben erwähnten positiven Auswirkungen auf die fachliche Vorbereitung mit. Dadurch wird man wiederum selbstbewusster. Es entwickelt sich ein „Engelskreis“, das Gegenteil eines Teufelskreises. Alles wird immer besser und beflügelt sich gegenseitig.

Faktisch machen wir aber leider die Erfahrung, dass besonders viele KursteilnehmerInnen schon ein Examen hinter sich haben, wenn sie zu uns kommen. Sie haben selbst erlebt, dass ihnen der Stress zu sehr im Weg stand und sie nicht ihre beste Leistung erbringen konnten. Sie stehen dann entweder vor dem Verbesserungsversuch oder wollen es im zweiten Examen besser machen.

Diese Situation ließe sich häufig vermeiden, wenn man sich mit den Themen Stress und Druck schon vorher befasst. Aber leider wird das Thema in der juristischen Ausbildung bisher viel zu wenig behandelt, so dass hier ohne die eigene leidvolle Erfahrung das Problembewusstsein oft noch nicht da ist bzw. den meisten auch einfach nicht klar ist, dass man diese Themen aktiv angehen und hier wirklich Verbesserungen bewirken kann.

Wir hoffen, dass sich dies in Zukunft ändert und versuchen, mit Examensritter unseren Beitrag dazu zu leisten.

Herr Kleinschmitt und Herr von Normann, herzlichen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!

Das Interview führte Jasmin Kröner.

Kontakt: www.examensritter.de/

E-Mail: team@examensritter.de

Foto: Adobe Stock/©Apichart
CategoryExamen, Jurastudium

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