Diplom-Jurist

Das Zweite Staatsexamen ist das Nadelöhr für die juristische Karriere. Eine Statistik des Bundesjustizamts für das Jahr 2017 belegt: Von 8.716 Prüflingen haben 1.153 (13,2%) nicht bestanden. Die meisten Referendare waren zu diesem Zeitpunkt zwischen 27 und 30 Jahre alt. Wer sich durch Studium, Referendariat und Examina gebissen hat, kann erahnen: Nach all den Jahren harter Arbeit ist das der absolute Albtraum.

Das verpatzte Examen – Reflexion und Neuorientierung

Wer final (Wiederholungsversuch eingeschlossen) durchgefallen ist, muss sich erstmal sammeln. Der lang gehegte Karrierewunsch „Rechtsanwalt“ muss aus der Lebensplanung gestrichen werden. Nachdem man sich vom ersten Schock erholt hat, gilt es, die weiteren Schritte zu planen. Es macht wenig Sinn, sich jahrelang ausbilden zu lassen und all die Anstrengungen auf sich zu nehmen, um die Wahl des ersten Jobs dann dem Zufall zu überlassen. Jetzt werden Weichen gestellt! Man neigt vielleicht dazu, sich anfangs überall zu bewerben, wo das Profil so einigermaßen passen könnte, doch damit wird man nicht nachhaltig glücklich. Es ist wichtig, sich an diesem Wendepunkt im Leben ein paar Fragen zu stellen:

Welche Interessen habe ich?

  • Welche Stationen und Inhalte während des Referendariats interessierten mich?
  • Möchte ich dem Recht verbunden bleiben oder die Branche wechseln?
  • Tipp: Nicht für den Lebenslauf arbeiten. Jobhopping ist längst nicht mehr so negativ angesehen wie noch vor zehn Jahren. Allerdings muss man sich fragen, ob man den juristischen „Roten Faden“, der nun mal da ist, weiterverfolgen möchte oder bereit ist, für eine interessante Stelle einen Bruch im Lebenslauf in Kauf zu nehmen.

Wo sehe ich mich?

  • Anstellung oder Selbständigkeit?
  • Kanzlei, Unternehmen, Verband, öffentlicher Dienst?

Wie wichtig ist mir Geld? Möchte ich Kinder? Was sind die Pläne meines Partners? Wieviel Zeit möchte ich für Freundschaften, Hobbies und Reisen haben?

Diplom vs. Staatsexamen – Was kommt bei Arbeitgebern besser an?

Lamentieren hilft nichts, man muss sich aufrappeln und neu orientieren. Nach Erholung und Reflexion sollte man einen neuen Weg vor Augen haben. Es ist nicht alles verloren. Immerhin hat man ja ein Studium abgeschlossen und das Referendariat durchlaufen. A propos: „Erstes Juristisches Staatsexamen“ ist meines Erachtens als Abschluss nicht übermäßig bewerbungsförderlich, denn viele Arbeitgeber können schlecht einschätzen, welche Kenntnisse und Erfahrungen so ein Bewerber tatsächlich mitbringt. In den meisten Bundesländern stellen die Universitäten nach bestandenem Ersten Staatsexamen auf Wunsch auch ein Diplom aus. Das ist für viele Arbeitgeber griffiger.

Die Bewerbung im Unternehmen

Jobsuche und Bewerbungsmarathon sind schon recht anstrengend, doch wer sich als Diplom-Jurist bewirbt, benötigt eine überdurchschnittliche Frustrationstoleranz. Für Positionen mit auch nur einer Nuance juristischen Bezugs wird in Unternehmen oder Verlagen oft direkt ein Volljurist gesucht. Ein Blick in die Aufgabenbeschreibung verrät dann meist, dass jedenfalls die Befähigung zum Richteramt nicht zwingend notwendig ist. Man sollte sich von den Anforderungen also nicht direkt abschrecken lassen, sondern die Beschreibung des Tätigkeitsbereichs lesen: Wären Sie den Aufgaben (jedenfalls nach solider Einarbeitung) gewachsen? Interessiert Sie die Stelle? Dann nur Mut und auf jeden Fall bewerben!

Firmen suchen meist die „eierlegende Wollmilchsau“. Man muss nicht alle hard skills erfüllen, um eine Chance zu haben. Der Fachkräftemangel hat auch die Rechtsberatungsbranche erreicht. Zweifeln Sie also nicht zu sehr. In Vorstellungsgesprächen muss man sich jedoch zuweilen auch der Frage stellen, ob man denn wisse, warum man durchgefallen ist. Wer von seinem wenig empathischen Gegenüber mit dieser Frage konfrontiert wird, sollte sich tunlichst schon vorher eine Antwort zurechtgelegt haben. Generell ist bei der Jobsuche eine gesunde Mischung aus kritischer Reflexion und gesundem Selbstbewusstsein äußerst hilfreich. Insbesondere Letzteres muss man sich nach dem Examens-Tiefschlag oft erstmal wieder zurückerobern.

Als Diplom-Jurist in die Kanzlei?

Man kann sich auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Kanzleien bewerben. Da herrscht allerdings oft die starre Zweiteilung „Sekretariat + Anwälte“ und für die Zuarbeiten rekrutieren die Chefs lieber Referendare als günstige Arbeitskräfte. In größeren Kanzleien wiederum wird Wert auf ein wenigstens befriedigendes Examen gelegt.

Kurzum: Man benötigt Durchhaltevermögen, wenn man sich als Diplom-Jurist auf Jobsuche begibt. Man muss bei der Suche aktiv sein, am Ball bleiben und sollte parallel das Netzwerken nicht vergessen. Wenn man auf Jobsuche ist, muss man das auch kommunizieren. Gehen Sie doch mal Mittagessen mit dem Chef aus Ihrer Anwaltsstation. Auch können gut gepflegte, inhaltlich entsprechend ausgerichtete Profile auf LinkedIn und Xing Ihrer Jobsuche enorm auf die Sprünge helfen.

So oder so: Verlieren Sie nicht den Mut! Ein verpatztes Examen ist ärgerlich, aber im Nachhinein können Sie nichts mehr daran ändern. Daher: Blick nach vorn! Jobs gibt es genug. Auch für Sie!

Foto:Adobe.Stock/Bartek Szewczyk

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