Bislang hat wohl noch jeder fertige Jurist bzw. jede fertige Juristin den Schritt von der juristischen Ausbildung ins Berufsleben gemeistert. Auf nichts anderes arbeitet man schließlich jahrelang hin. Das zweite Staatsexamen ist geschafft und plötzlich geht es dann ganz schnell: Man findet sich selbst im Berufsleben wieder und die Strapazen des vorangegangenen, zwischenzeitlich endlos erscheinenden, Lebensabschnitts sind schnell verdrängt. Es stellen sich dann neue Herausforderungen mit einer anderen Form des Drucks.
Ich selbst habe mich nach dem Abschluss der juristischen Ausbildung sehr schnell für die Anwaltschaft in einer größeren Wirtschaftskanzlei für den Fachbereich Arbeitsrecht entschieden. In der Wahlstation des Referendariats hat man mich sehr schnell davon überzeugen können, dass einem bei dieser Tätigkeit nie langweilig wird. Dieser Beitrag soll neben der offensichtlichen Werbung für die Anwaltschaft zur Motivation für das Studium oder Referendariat beitragen. Mit einem klaren Ziel vor Augen lernt es sich doch gleich viel leichter.
Wie man die Anwaltschaft als Berufseinsteiger erlebt
Die Anwaltschaft bietet nach meiner Auffassung so viel Abwechslung wie kein anderer der klassischen juristischen Berufe. Von der Erstellung des altbekannten Gutachtens oder rechtlichen Stellungnahmen über die an die Bedürfnisse des Mandanten angepasste Vertragsgestaltung bis hin zum klassischen Schriftsatz, inklusive der Begleitung von Gerichtsverfahren, oder auch die Erstellung fachspezifischer und wissenschaftlicher Veröffentlichungen – all das bietet der Berufsalltag in einer Wirtschaftskanzlei. Die Vielfältigkeit der Aufgabenstellungen der Mandanten lässt den Arbeitstag schnell vorüberziehen und man nimmt täglich mindestens einen wertvollen Aha-Effekt mit in den verdienten Feierabend. Dabei ist in jedem Projekt auch ein nicht unerhebliches Maß an eigener Kreativität und Spontanität gefragt.
Das Handwerkszeug zum Meistern dieser Aufgaben hat man in der juristischen Ausbildung bereits gelernt. Die lange Zeit der Ausbildung dient schließlich nicht nur dem Erwerb eines Zeugnisses. Ein großer Vorteil der juristischen Ausbildung ist es, dass man das erworbene juristische Handwerkszeug auch zu 100 % im Berufsleben anwenden wird. Die Praxis lehrt einem den Rest. Gefragt ist hier natürlich das Finden praktischer Lösungen. Bei umstrittenen Themen muss man sich am Ende des Tages für eine Vorgehensweise entschieden haben, zu dieser Entscheidung stehen und dem Mandanten eine klare Handlungsempfehlung aufzeigen. Tag für Tag wird man darin sicherer. Dieses „Training on the Job“ funktioniert deshalb so gut, weil man niemals als Einzelkämpfer arbeiten muss. Teamwork steht an vorderster Stelle, wobei man im ständigen Austausch mit berufserfahrenen Kollegen steht, die ihren wertvollen Erfahrungsschatz weitergeben.
Auch Fehler gehören zum Anwaltsdasein dazu
Als Berufseinsteiger in größeren Kanzleien wird natürlich nicht vom ersten Tag an erwartet, alles zu können, Mandanten zu betreuen oder diese gar zu akquirieren. Auch die Anwaltshaftung muss einem nicht sofort ab dem ersten Tag schlaflose Nächte bereiten. Je nach Kanzleiorganisation arbeitet man zunächst einem oder mehreren Vorgesetzten – man könnte sie herzlich als Mentor bezeichnen – zu. Auch wenn man nicht sofort die Lorbeeren für jeden eigenen Arbeitserfolg erntet, ist dies die notwendige Vorgehensweise, um Fehler machen zu können, aus denen man lernen kann, um irgendwann auf eigenen Beinen stehen zu können. In der ersten Zeit des Berufslebens geht es darum, Praxiserfahrung zu sammeln und eigene Fachexpertise zu erwerben. Man lernt trotz abgeschlossener Ausbildung weiter, aber aus einer völlig anderen Perspektive und mit einer anderen Art des Drucks, denn ein Erfolgserlebnis hat man hier täglich.
Auch neben der fachlichen Seite bietet der Job einen Katalog an Vorzügen. Man wächst zu einem Teil der Kanzlei heran. Wenn es der Arbeitgeber geschickt organisiert, identifiziert man sich als Berufseinsteiger sehr schnell mit der eigenen Kanzlei. Bei meinem Arbeitgeber werden die vermittelten Werte von jedem der Kolleginnen und Kollegen gelebt. Man kann sie kaum ignorieren. Entgegen meiner Erwartungen habe ich mich an keinem Arbeitstag verloren gefühlt. Wenn man sich traut, freundlich zu fragen, erhält man auch nützliche Antworten. Noch ein Vorteil: Man arbeitet mit Kolleginnen und Kollegen zusammen, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen: Den Erfolg der Kanzlei und die bestmögliche Beratung des Mandanten.
Wie kann man sich schon in der juristischen Ausbildung auf die Praxis vorbereiten?
Dass der praktische Teil in der juristischen Ausbildung viel zu kurz kommt, muss wohl kaum diskutiert werden. Das Jurastudium kann man theoretisch völlig befreit von jeglicher praktischen Erfahrung absolvieren. Ich selbst habe in Bayern studiert, bezogen auf eine Regelstudienzeit von neun Semestern konnten die drei Monate praktische Studienzeit allein wohl kaum Einfluss auf meine spätere Berufswahl nehmen. Die Motivation im Studium muss sich dann von einer bildhaften Vorstellung ernähren, was zur Ziellosigkeit oder späterer Enttäuschung führen kann. Man hat nicht genug gesehen, um für das Bestehen des Examens ein greifbares Ziel vor Augen zu haben. Das Referendariat ist dann zwar weit mehr auf die praktische Arbeit ausgelegt, trotzdem hat das Bestehen des zweiten Examens, und damit wieder die Theorie, oberste Priorität.
Dabei hätte es sowohl für die Ausbildung als auch für den späteren Berufseinstieg erheblichen Mehrwert, wenn die theoretische Ausbildung mit praktischer Ausbildungszeit und Verantwortung verknüpft würde. Der auf Theorie ausgelegte Stoffplan muss einen jedoch nicht von einer solchen Strategie abhalten. Zusätzlich sollte man bei der ohnehin schon geringen praktischen Pflichtzeit auf sein Recht auf diese Form der Ausbildung bestehen. Bewerbungsgespräche für diese praktischen Stationen dienen nicht nur der Überzeugung des zukünftigen Arbeitgebers. Man sollte diese auch selbst gezielt einsetzen, um Erwartungen und Ziele abzustecken und kritisch zu hinterfragen, ob die Stelle eine Perspektive für die erwünschte Ausbildung und Erfahrung bringt. Schauen Sie sich Ihren Ausbilder also genau an und setzen Sie die Prioritäten an der richtigen Stelle. Anders wäre die investierte Zeit zu kostbar. Völlig frei von jeglichem Ausbildungsdruck kann man dann die Wahlstation im Referendariat auskosten.