Referendariat Corona

Vor etwa zwei Monaten hat das Coronavirus die ganze Welt auf den Kopf gestellt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind im Homeoffice, Präsenzveranstaltungen werden zu Videokonferenzen und Kontakte auf das Minimum beschränkt. Problematisch wird es in Bereichen, die vom persönlichen Kontakt geprägt sind. Dazu gehört auch der juristische Vorbereitungsdienst  – das Referendariat. Die Ausbildung basiert zum einen auf verpflichtenden Unterricht, zum anderen auf einer Praxisausbildung. Welche Auswirkungen die derzeitigen Einschränkungen auf das Referendariat haben und welche Chancen sich dennoch ergeben können, soll im Folgenden dargestellt werden.

Arbeitsgemeinschaften und Stationen im Referendariat

Die größte Änderung dürfte es bei den Arbeitsgemeinschaften und den Klausurenkursen geben. Während bisher regelmäßig verpflichtender Präsenzunterricht stattfand und Klausuren vor Ort geschrieben wurden, ist dies derzeit so nicht möglich. Einige Bundesländer bieten hier bereits Online-Veranstaltungen an oder schicken zumindest das Unterrichtsmaterial und die Klausuren per E-Mail, während Referendare in anderen Bundesländern vorerst freigestellt wurden. Grund hierfür dürfte vor allem sein, dass die notwendigen technischen Voraussetzungen in manchen Bundesländern erst noch geschaffen werden müssen.

Die Ausbildung in den einzelnen Sta­tionen der Praxisausbildung  kann dagegen weiterhin stattfinden. Problematisch ist jedoch, dass vor allem im Bereich der Justiz derzeit kaum Verhandlungen stattfinden. Zum einen müssen auch hier die technischen Voraussetzungen erst geschaffen werden, zum anderen gibt es Regelungen in der ZPO und anderen Verfahrensgesetzen, die einem Online-Gerichtsverfahren noch entgegenstehen. Für die Arbeitsgerichte beispielsweise existiert hier bereits ein Vorschlag zur Änderung des ArbGG. Die Referendare konzentrieren sich dagegen derzeit, soweit möglich, auf Tätigkeiten, die auch von zu Hause aus möglich sind.

Einstellungsstopp bringt Referendare in finanzielle Notlage

Neue Referendars-Jahrgänge, die regelmäßig im Frühjahr eingestellt werden, werden zurzeit in einigen Bundesländern vor ein besonders großes Problem gestellt: Einstellungsstopp. Im bevölkerungsreichsten Land Nordrhein-Westfalen und in Berlin wurde kurz vor dem Jahrgangsstart bekannt, dass vorerst keine neuen Referendare eingestellt werden. Viele hatten zu dem Zeitpunkt der Bekanntmachung bereits einen Umzug veranlasst oder vorherige Arbeitsstellen gekündigt. Da an das Referendariat eine Unterhaltsbeihilfe gekoppelt ist, ergaben sich hier für die Referendare zusätzliche finanzielle Probleme.

Anders ist die Situation dagegen in Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein. Hier konnte planmäßig eine Einstellung im April stattfinden. Ebenfalls in den Bundesländern, in denen die Ausbildung im Mai beginnt, wird noch eingestellt. Hierzu zählen Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen und Hessen. Relativ wenige Probleme mit der Neueinstellung dürften die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben. Hier beginnt eine Neueinstellung grundsätzlich erst im Juni, im Saarland und in Sachsen-Anhalt sogar erst wieder im September.

In den Ländern, in denen eine Neueinstellung bereits stattgefunden hat, erfolgt der Unterricht ebenfalls, soweit technisch bereits möglich, als Online-Veranstaltung. Für die Länder Nordrhein-Westfalen und Berlin ist zu hoffen, dass auch hier möglichst bald eine Lösung gefunden wird und die neuen Referendare mit ein wenig Verzögerung beginnen können. Eine noch längere Verzögerung ist vor allem in finanzieller Hinsicht für die Betroffenen nicht vertretbar.

So laufen die Examensprüfungen in Zeiten von Corona

Eine weitere Frage betrifft diejenigen Jahrgänge, die kurz vor der Examensprüfung stehen. Diese Frage ist wohl vergleichbar mit der allseits diskutierten Frage der Abiturprüfungen. Anders als der Unterricht, kann nämlich eine Prüfung nicht online abgehalten werden. Größtenteils können die schriftlichen Prüfungen im Zweiten Staatsexamen stattfinden, da diese in den meisten Bundesländern erst ab Juni wieder stattfinden. Die Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz mussten ihre Prüfungen vom April auf den Juni verlegen, da die schriftliche Prüfung hier bereits für den April angesetzt war.

Hervorzuheben ist die Regelung im Bundesland Bayern. In einer Mitteilung heißt es:

Weite Teile des Familienrechts, insbesondere das Unterhaltsrecht und das Verfahren in Ehesachen, Familienstreitsachen und Familiensachen, sowie das Wasserrecht werden ab dem Prüfungstermin 2020/1 in der schriftlichen und mündlichen Prüfung nicht geprüft.“

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat diese Änderung der Prüfungsordnung schon länger vorbereitet. Diese sollte eigentlich erst ab dem Frühjahr 2022 gelten. Besondere Umstände erfordern jedoch auch an dieser Stelle besondere Maßnahmen. Noch ausstehende mündliche Prüfungen des vorhergehenden Jahrgangs fanden teilweise statt, wurden teilweise aber auch verschoben. Bei Stattfinden werden in jedem Fall strenge Hygienemaßnahmen und Abstandsregelungen an den Tag gelegt. Oft werden nur zwei Prüflinge gleichzeitig geprüft.

Bundesländer gehen sehr unterschiedlich vor

Einen Sonderweg geht hier das Bundesland Hessen. Das Hessische Landesjustizministerium lässt den Referendarinnen und Referendaren die Wahl, ob sie ihre mündliche Prüfung ablegen wollen oder nicht. Seitens des hessischen Ministeriums wird diese Regelung damit begründet, dass Referendare ein berechtigtes Interesse daran haben, ihre Ausbildung ohne Zeitverlust zu beenden. Andererseits wird dadurch aber auch die Entscheidung einer gefahrlosen Teilnahme mitunter auf die Prüflinge abgewälzt. Problematisch daran ist der Aspekt, dass es nicht nur um die eigene Gesundheit geht, sondern gerade auch um die Gesundheit anderer. Außerdem dürfte kein Prüfling dazu in der Lage sein, einzuschätzen, ob Hygienemaßnahmen und Abstandsgebote vor Ort eingehalten werden. Dennoch haben sich bereits Ende März von 180 geladenen Kandidatinnen und Kandidaten 133 dafür entschieden, an der mündlichen Prüfung teilzunehmen.

Was bedeutet Corona & Co. für mich als Referendar?

Insgesamt lässt sich sagen, dass an dieser Stelle nicht nur Probleme und Einschränkungen, sondern auch Chancen gesehen werden sollten. Wichtig ist es, in solchen Zeiten nicht den Anschluss zu verlieren und sich gewissermaßen selbst zu organisieren. Die Verlockung ist natürlich groß, in dieser Zeit wenig bis gar nichts zu tun oder das Ganze einfach als eine Art Auszeit zu sehen. Doch gerade jetzt hat man Zeit, den Stoff aufzuholen, der möglicherweise schon länger liegen geblieben ist, denn Arbeitsgemeinschaften und auch der Weg dorthin fallen weg. Außerdem ist es sinnvoll – soweit vorhanden – das gestellte Online-Angebot wahrzunehmen und sich genau das herauszusuchen, was den Lernerfolg tatsächlich vorantreibt. Hat man bereits ein abgeschlossenes Studium, ist man in der Regel in der Lage, sich selbst zu organisieren und sich selbst einzuschätzen. Der eine lernt durch Gehör, der andere muss den Stoff selbst durcharbeiten. Der eine lernt besser in der Gruppe, der andere ist ein Einzelkämpfer.

Fazit: Macht Corona das Referendariat digitaler?

Ob die derzeitige Lage das Referendariat positiv beeinflussen wird, bleibt abzuwarten. Es wäre jedoch wünschenswert, dass hier die Ministerien die Chancen der Digitalisierung erkennen und diese vorantreiben. Denn selbst während des Studiums kann sich jede(r) Student(in) entscheiden, welche Vorlesungen oder Repetitorien für sie oder ihn sinnvoll sind. Es gibt keinen Grund, warum dies nicht auch für den juristischen Vorbereitungsdienst eingeführt werden sollte. Die Ministerien sind an dieser Stelle jedoch auch auf die Mitarbeit und Rückmeldung der Gerichte, die Gerichte wiederum auf eine Rückmeldung der Referendare angewiesen.

Foto: Adobe Stock/©smolaw11

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