Zweites Staatsexamen

Das Zweite juristische Staatsexamen ist eines ganz sicher nicht: Das Gleiche wie das Erste Staatsexamen – auch wenn der Name es vermuten lässt.

Du hast das Erste Staatsexamen in der Tasche und bist gespannt auf das Referendariat: Endlich liegt das jahrelange Lernen und die Examensvorbereitung hinter dir und du freust dich darauf, nach vielen Stunden in der Bibliothek und vor Lehrbüchern und Skripten Praxisluft zu schnuppern. Neben all den Möglichkeiten, die dir das Referendariat bietet, kommt jedoch unaufhaltsam etwas auf dich zu: Die schriftlichen Klausuren und die mündliche Prüfung im Zweiten Staatsexamen. Und damit du gut vorbereitet bist, gibt es heute meine fünf persönlichen Tipps für das Zweite juristische Staatsexamen, die ich gerne früher gekannt hätte:

1. Gib dir Zeit und mach dir nicht so einen Druck

Die ersten Tage im Referendariat, die in der Regel mit der Einführungs-AG starten, sind häufig Überforderung pur. Wie kann es sein, dass wir nach so vielen Jahren Jurastudium in der Praxis zunächst hoffnungslos verloren sind? Niemand von uns kann ein Urteil oder eine Anklage schreiben und mit einem Behördenbescheid können wir zunächst nichts anfangen. Klar wissen wir – in den meisten Fällen – was inhaltlich in das Endprodukt hineingehört, aber wie man es wirklich verfasst? Keine Ahnung.

Genau diese Erkenntnis kommt uns bereits in den ersten Tagen des Referendariats und hat zumindest mich sehr unter Druck gesetzt. Wie soll ich all diese Dinge in weniger als zwei Jahren lernen? Spätestens in den schriftlichen Examensklausuren müssen sie sitzen.

Ich verspreche dir, es geht allen genauso. Niemand kommt als frischgebackener Volljurist oder frischgebackene Volljuristin ins Referendariat, sondern alle befinden sich auf demselben Kenntnisstand, den du hast. Sei dir bewusst, dass du Einiges zu tun hast – aber alle anderen haben das auch und das ist vollkommen normal! Weder hängst du bereits zurück, noch haben andere dir etwas voraus. Ihr seid alle auf dem Weg, es zu schaffen und habt eure Ausbilderinnen und Ausbilder sowie die AGs vor euch. Unterschätzt euch nicht: Ihr könnt bis zum Examen alles lernen.

2. Arbeite frühzeitig mit den Kommentaren

„Das Zweite Staatsexamen kann gar nicht so schwer sein, schließlich darf ich endlich Kommentare benutzen“ – das ist leider ein Fehlglaube. Zwar liegt die Zeit, in der man Meinungsstreitigkeiten auswendig herunterbeten musste, endgültig hinter dir – viele Dinge, die du „nachts um drei, wenn man dich weckt“ wissen musst, stehen leider nicht im Kommentar und du musst sie lernen und verinnerlichen. Genauso ist es ein Irrglaube, nun das materielle Recht vernachlässigen und sich nur auf die Formalien und das Prozessrecht konzentrieren zu können.

Die Formalien werden im Examen selbstverständlich benötigt, um die Klausuren einigermaßen sicher bestreiten zu können, die Punkte hingegen werden im materiellen Recht geholt!

Um in den Klausuren und im Aktenvortrag keine wertvolle Zeit zu verlieren, gewöhne dir den Umgang mit den Kommentaren frühzeitig an: Je eher, desto besser. Und sei es, wenn du am Anfang neben Deine Lernzettel „einfach“ nur die Kommentare legst und dir anschaust, wo das entsprechende Problem steht und wie du es über das Stichwortverzeichnis findest!

3. Schreibe Probeklausuren

Der wohl unbeliebteste Teil der Examensvorbereitung, den du bereits im Ersten Staatsexamen kennen – und hassen gelernt hast: die Probeklausuren.

Gerade im Zweiten Staatsexamen sind sie aber essenziell, um im Ernstfall mit ihnen klarzukommen! Es gibt einfach eine Vielzahl möglicher Konstellationen und Aufbaumöglichkeiten, mit denen es immer leichter umzugehen wird, sobald du sie schon einmal hinter dich gebracht hast – sei es die Anklage, die Revision, das Straf- und Zivilurteil oder die gefürchteten Anwaltsklausuren.

Nimm die Möglichkeiten, die dir geboten werden – von teuren Klausurenkursen diverser Anbieter von Repetitorien bis hin zum kostenlosen Gerichtsklausurenkurs oder Internetarchiven – möglichst so früh wie möglich war und fang an, eine Probeklausur in der Woche zu schreiben. Es ist nicht schlimm, wenn du – gerade am Anfang – viele Fehler machst und vernichtende Punktzahlen zurückbekommst. Nur aus Fehlern kannst du lernen und hast damit vielen Perfektionistinnen und Perfektionisten, die sich nicht „trauen“, eine „schlechte“ Probeklausur abzugeben, etwas voraus. Die einzig schlechte Probeklausur ist die, die du nicht geschrieben hast.

4. Setze Dein Wissen in der Praxis um

Wenn du nur eine Sache aus dem Referendariat mitnimmst, dann diese: Es ist alles anders als im Studium. Wie Christian Konert, der die Podcasts „AG Zivilrecht“ und „AG Strafrecht“ anbietet, es einmal sehr passend gesagt hat: Im Zweiten Examen wird honoriert, wer ein praxistaugliches Ergebnis abgegeben hat. Die Korrektorinnen und Korrektoren stellen sich die Frage: „Kann dieser Prüfling einmal mein Kollege oder meine Kollegin werden?“

Dazu gehört, dass dir die Formalitäten der Praxis in Fleisch und Blut übergegangen sind, du Streitiges von Unstreitigem trennen kannst, einen ordentlichen Urteilsstil sowie die Beweisregeln beherrschst – und anwenden kannst. Bloß Schemata oder Beweislastverteilungen auswendig zu lernen, ohne diese in die Praxis umzusetzen, bringt dir leider genauso wenig wie abstrakt zu wissen, wie ein Verwaltungsurteil aufgebaut wird ohne jemals eins geschrieben zu haben. Lass Dich nicht von „Examenstreffern“ verrückt machen – das sind Einzelfälle und Glückstreffer. Wenn im Examenssachverhalt etwas zum BGH-Urteil verändert wurde – was häufig passiert – und du einfach deine auswendig erlernte Lösung hinschreibst, bringt dir das herzlich wenig.

Nimm die Übungsmöglichkeiten, die dir das Referendariat bietet, wahr – sein es kostenlose Aktenvorträge und Probeklausuren bis hin zu den praktischen Arbeiten für deine Ausbilderinnen und Ausbilder – und setze dein mühsam erworbenes Wissen in die Praxis um.

5. Mach ausreichend Pause

Das Referendariat habe ich vor allem als eins erlebt: Druck. Entweder habe ich für meine Ausbilderinnen und Ausbilder gearbeitet, gelernt, Probeklausuren geschrieben, Aktenvorträge gehalten oder war im Nebenjob tätig. Urlaub habe ich keinen gemacht, genauso wenig wie an Wochenenden freigenommen. Dieser „Dauerstress“ führte über zwei Jahre hinweg dazu, dass ich vollkommen ausgebrannt und unkonzentriert in die Klausuren im Zweiten Staatsexamen gestartet bin – ich habe Fristen vertauscht, Streitiges und Unstreitiges verwechselt und sehr viele Fehler gemacht, die mir bei diesem Kenntnisstand eigentlich nicht mehr passiert sind – und nicht mehr hätten passieren dürfen. Mein abschließender – und meiner Meinung nach wichtigster Tipp – lautet deshalb: Mach ausreichend Pause.

Mein Lernverhalten (sehr viel zu lernen – inklusive teilweise zwei Probeklausuren an einem Tag zu schreiben) hat mir im ersten Durchgang nichts gebracht, da ich so müde und unkonzentriert war, dass ich es nicht zeigen konnte. Bitte mach mir diesen Fehler nicht nach!

Für dein Zweites Staatsexamen wünsche ich dir ganz viel Erfolg!

Was euch rund um die einzelnen Stationen erwartet, erfahrt ihr im Wegweiser Referendariat:

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Bild: Adobe Stock/©arrowsmith2
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