Lex Superior

Die wachsende Legal Tech-Branche eröffnet Jungjurist*Innen ein neues Berufsfeld, das IT mit juristischen Fragestellungen verknüpft. Daher wird die klassische Kanzleikarriere immer weniger selbstverständlich. LEX superior-Gründer Tianyu Yuan hat sich für die Legal Tech-Branche entschieden. Im Interview verrät er, welchen Herausforderungen er täglich begegnet und was eine solche Arbeit lohnenswert macht.  

Herr Yuan, seit wann arbeiten Sie bei LEX superior und was ist Ihr Aufgabengebiet?

Als einer der Gründer bin ich logischerweise von Anfang an dabei gewesen. Wir sind seit Anfang 2016 tätig und verfolgen mit LEX superior das Ziel, mit unserer App die Juristenausbildung zu digitalisieren. Künftig möchten wir jedem Juristen ein Wissensmanagement-Tool zur Verfügung stellen, denn das wichtigste Kapital eines Juristen ist sein Wissen. Dieses möchte gepflegt, organisiert und ständig aktualisiert werden. Wir arbeiten daran, dafür eine komfortable Lösung zu schaffen. Bei LEX superior kümmere ich mich hauptsächlich um die strategische Ausrichtung, die Kommunikation mit dem Markt, arbeite aber auch an der Konzeption neuer Funktionen unserer Software mit.

Wie ging es mit LEX superior los?

Wir haben LEX superior gegründet als ich noch mitten im Referendariat war. Ich erzähle häufiger, dass ich mich zu diesem Schritt entschlossen habe, um mit der Monotonie der Examensvorbereitung klarzukommen. Man kann während der Ausbildung schließlich nicht den ganzen Tag Jura lernen, oder wie ich es formulieren würde, gegen das natürliche Vergessen ankämpfen. Unser Startup ist allerdings insoweit speziell, weil wir Gründer neben dem Aufbau des Unternehmens durchgehend auch andere Tätigkeiten verfolgt haben. So habe ich nach Abschluss meiner Juristenausbildung zunächst zwei Jahre für eine internationale Wirtschaftssozietät gearbeitet.

Welche Ihrer juristischen Fähigkeiten brauchen Sie für Ihre Arbeit?

Da wir uns inhaltlich mit juristischem Wissen beschäftigen, funktioniert dies natürlich nicht ohne juristische Fähigkeiten. Außerdem ist man als juristisch vorgebildeter Unternehmer – zumindest in unserem derzeitigen Stadium – auch stets die eigene Rechtsabteilung und muss sich mit einer Vielzahl juristischer Fragestellungen auseinandersetzen.

Welche Kompetenzen werden noch verlangt im Vergleich zur „klassischen Kanzleiarbeit“?

Ein eigenes Unternehmen zu leiten bzw. Tätigkeiten durchzuführen, die für das Erreichen einer unternehmerischen Zielsetzung dienlich sind, verlangt einem deutlich mehr Kreativität und Initiative ab als die klassische Mandatsarbeit. Denn ein Mandant kommuniziert, zumindest was das Sachziel betrifft, in der Regel ziemlich genau was er möchte. Als Unternehmer muss man sich selbst Ziele setzen und auch mit der Unsicherheit klarkommen, ob die eigene Zielsetzung vom Markt angenommen wird oder man den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Was sind die Vor- und Nachteile im Vergleich zur Arbeit in einer Kanzlei?

An dem platten Spruch „Selbstständigkeit bedeutet, dass man selbst und ständig arbeitet“ ist einiges dran. Es ist jeden Tag immer viel mehr zu tun, als man erledigen könnte, auch wenn man noch so effizient arbeitet. Die Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt in einer Kanzlei ist meistens  routinierter und planbarer. Arbeit und Privates lassen sich in der Regel gut abgrenzen. Man darf auch nicht verkennen, dass zumindest in den ersten Jahren eines Startups die eigene Vergütung häufig nicht das erreicht, was im (Groß-)Kanzleiumfeld an Gehältern gezahlt wird. Auf der anderen Seite steht natürlich die Aussicht, in einigen Jahren mit seinem eigenen Geschäftsmodell Gewinne zu erwirtschaften, die man selbst bei lebenslanger Berufstätigkeit im Angestelltenverhältnis oder auch als Partner nicht verdienen kann.

Warum ziehen Sie die Arbeit in einem Legal Tech-Startup der Arbeit in einer Anwaltskanzlei vor?

Wenn man den Wunsch hat, Zukunft zu gestalten, ist eine Anwaltskanzlei wohl häufig ein ziemlich schlechter Ort. Erstens handelt man stets mit Blick auf das Mandanteninteresse. Zweitens sind viele Kanzleistrukturen nicht sonderlich dankbar, um Änderungen bzw. Innovationen voranzutreiben. Man muss beispielsweise nur mal schauen, mit welcher technologischen Ausstattung selbst große und finanzstarke Kanzleien unterwegs sind. In unserem Startup ist es ein völliges No-Go, dass Technologie (egal ob Software oder Hardware) die eigene Arbeit bremst. Stattdessen leisten wir uns in diesem Bereich Dinge, die selbst Partner in internationalen Wirtschaftskanzleien selten bekommen.

Was würden Sie Jurist*Innen empfehlen, die gerne die Richtung Legal Tech-Unternehmen einschlagen möchten?

Leider vermittelt die juristische Ausbildung allein nicht viele Kompetenzen, um in einem unternehmerischen Umfeld eine gute Performance abzuliefern. Es fehlt einerseits an betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen, andererseits an Projektmanagement- und Team-Fähigkeiten. Das Blättern im Schönfelder trägt auch nicht dazu bei, sich eine besondere Technikkompetenz anzueignen. Wer als Jurist in einem Legal Tech-Unternehmen tätig sein möchte, sollte zusehen, dass er/sie sich selbst in dieser Richtungen weiterbildet, was aber durch die vielen Online-Angebote gut möglich ist.

Wie wird sich das Berufsbild von Jurist*Innen durch Legal Tech in Zukunft verändern?

Als jemand, der im Legal Tech-Umfeld tätig ist, glaube ich, dass sich das juristische Berufsbild in vielerlei Hinsicht grundlegend ändern wird. Das betrifft nicht nur Beratungsbereiche, die wahrscheinlich gänzlich wegfallen, wie im Verkehrsrecht durch das Aufkommen der autonomen Mobilität. Daher ist es meiner Einschätzung nach eine schlechte Idee, einen Fachanwalt in Verkehrsrecht zu machen.  Auch über die juristische Tätigkeit hinaus wird der Kanzleialltag zunehmend von technologischen Hilfsmitteln geprägt werden. Den Umgang mit diesen Tools muss man natürlich erlernen.

Foto: Adobe Stock/alphaspirit

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