Ein Klischee, das man ziemlich häufig hört und das ihr als Jurastudierende bestimmt auch alle kennt, wenn ihr euch mit Nicht-Jurastudierenden unterhaltet: „Jura – oh, dann müsst ihr die ganzen Gesetze auswendig lernen.”
Das nervt – denn dieses Klischee könnte nicht falscher sein. Etwas anderes ist aber stattdessen extrem wichtig – was, verrate ich in diesem Beitrag. Man muss es den Leuten immer wieder verdeutlichen: Das Einzige, was Juristen und Juristinnen und vor allem Jurastudierende nicht machen müssen, ist Gesetze auswendig zu lernen. Das Studium ist zwar lernintensiv – man muss einen Haufen Entscheidungen lesen und verschiedene Dinge auswendig lernen, wenn es darum geht, sich Theorien zur Anwendung und zur Auslegung von Gesetzen anzueignen. Nur eben nicht die Gesetzestexte, denn die Gesetze hat man immer dabei.
Bei Matheklausuren gibt es den Taschenrechner, bei Juraklausuren das Gesetz
Das ist in etwa vergleichbar mit der Matheklausur früher in der Schule. Ab der 11. oder 12. Klasse hattet ihr einen Taschenrechner. Im Physikunterricht gab es die Formelsammlung. Und trotzdem: Wenn man nicht weiß, wie man den Taschenrechner oder die Formelsammlung verwendet, kommt man auch nicht weiter. Im Prinzip ist es genauso auch mit den Gesetzestexten im Jurastudium.
Arbeitet mit dem Gesetz statt Paragraphen auswendig zu lernen!
Insgesamt kann ich sagen, wenn ich auf mein Jurastudium zurückblicke und auch das betrachte, was ich jetzt von vielen Studierenden höre: Jurastudierende konzentrieren sich immer viel zu sehr darauf, Dinge auswendig zu lernen. Sie lesen nicht das Gesetz, sondern gleich das Lehrbuch – und kaufen sich noch Karteikarten und ein Übungsbuch dazu. Und dann werden die Lehrbuchtexte angestrichen, untermalt, rausgeschrieben und versucht, auswendig zu lernen. Aber was die Studierenden viel zu selten machen ist wirklich im Gesetz zu lesen. Prägt euch das Gesetz ein!
Diese Fragen solltet ihr euch stellen
Das würde ich heute anders machen im Studium. Ich habe damals viel zu häufig mit der Sekundärliteratur gelernt, anstatt wirklich das Gesetz zu lesen und zu überlegen:
- Warum gibt es diese Regelung?
- Was hat sich der Gesetzgeber wahrscheinlich dabei gedacht?
- Was ist der Unterschied von Absatz 1 zu Absatz 2 und der Unterschied von Absatz 2 zu Absatz 3?
- Und was ist der Unterschied zum nachfolgenden Paragraphen und zu dem der vielleicht davor ist?
Macht euch eure eigenen Gedanken zum Gesetzestext
Das Gesetz hat eine Systematik. Ihr könnt davon ausgehen, dass der Gesetzgeber eine Regelung immer nur einmal ins Gesetz aufgeschrieben hat. Es wird keine Regelung geben, die zweimal denselben Fall abdeckt, zumindest in der Theorie des Gesetzgebers. Also überlegt euch: Was wird der Gesetzgeber mit der Regelung wohl gemeint haben?
Und wenn ihr eure eigenen Gedanken anstellt, dann werdet ihr sehr schnell merken, dass es viel einfacher zu verstehen ist, was der Gesetzgeber wahrscheinlich gemeint hat. Vor allem, wenn ihr dann z. B. Gesetzesbegründungen oder dogmatische Texte zu der jeweiligen Regelung durchliest. Damit müsst ihr arbeiten.
Fazit: Gesetz verstehen, aber nicht auswendig lernen
In der Klausur habt ihr nur das Gesetz, wenn ihr nicht mehr weiterwisst. Umso wichtiger ist es, das Gesetz zu verstehen. Aber ihr müsst es nicht auswendig lernen. Also Klischee widerlegt!
“Als Jurist muss man doch nur Gesetze auswendig lernen” – nein, das ist das Einzige, was man nicht muss.
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