Anwaltsserien

In ihrem Podcast „#fussnote“ sprechen Martin Fries, Privatdozent an der LMU München, und Dominik Herzog alias RCHTSNWLT über Juristengehälter, Legal Tech und… Serien! In der dritten Folge des Podcasts unterhalten sich die zwei Juristen darüber, was eine Anwaltsserie mit der Realität zu tun hat und welche sie empfehlen können – hier die Highlights der Folge.

Der Favorit: Better Call Saul

Dominik: Hallo Martin! Heute sprechen wir über „Netflix versus Realität, Rechtserien im Praxistest“. Kennst du Better Call Saul?

Martin: Wenn ich eine Serie nennen sollte, dann wäre die ganz vorne. Wie hast Du dahin gefunden oder hast Du sie gesehen?

Dominik: Also Breaking Bad war die erste Serie, die ich von Anfang bis Ende durchgeguckt habe und Blut geleckt habe – und bis heute suche ich nach einer Serie, die auf diesem Niveau ist und die mich ähnlich packt – natürlich war es dann auch ein Muss, „Better Call Saul“ zu sehen. Ich finde, das ist eine Serie, die man ganz schwer beschreiben kann, weil sie so extrem von dem Protagonisten lebt. Ich habe sie mir von vorne bis hinten wirklich in mich eingesaugt. Saucoole Serie!

Martin: Und während es bei Breaking Bad im Wesentlichen um Drogen, gar nicht so sehr um das Anwaltliche geht, geht’s bei Better Call Saul wirklich um das anwaltliche Kerngeschäft.

Wie viel haben Anwaltsserien mit der Realität zu tun?

Dominik: Was würdest Du denn sagen, wie viel von der Serie wahr und wie viel überzeichnet ist? Ich kriege die Frage auch immer wieder über den YouTube-Kanal gestellt – ob ich das empfehlen würde Rechtsserien zu gucken und ob das weit weg ist von der Realität. Was würdest Du sagen, aus deiner Erfahrung als Jurist, als Anwalt und auch von der Uni? Inwieweit ist das wirklich real und wie viel ist einfach Hollywood?

Martin: Also Du bist an der Praxis näher dran. Ich kann nur von früher urteilen oder Vermutungen anstellen – ich glaube, dass die Serie näher an der Realität dran ist, als viele meinen. Ich glaube, dass es schon viele Anwälte gibt, die das Anwaltsrecht – das ja in Deutschland schon auch recht restriktiv ist – relativ frei verstehen. Ich weiß nicht, wie Deine Erfahrungen da sind?

Dominik: Auf jeden Fall. Ich hätte es eher von den Typen her gesehen und da hätte ich auf jeden Fall gesagt, der Typus Slippin‘ Jimmy (Saul Goodman – Titelfigur von Better Call Saul) ist einfach ein guter Marketing-Typ. Die gibt‘s bestimmt auch unter den Großkanzleianwälten. Aber vor allem in Kanzleien mittlerer Größe oder kleinerer Größe, die durchaus beachtliche Umsätze machen, weil da einfach Leute dabei sind, die nicht die Super-Mega-Juristen mit zweistelligen Examina sein müssen – aber die können gut verkaufen!

Anwaltsserien können Fähigkeiten vermitteln, die das Studium nicht behandelt – zum Beispiel Marketing!

Martin: Da ist man direkt auch bei der Frage: Wie viel Marketing dürfen Kanzleien machen? Vielleicht kann man da angehende Anwälte und Anwältinnen sensibilisieren dafür, was wichtig ist, zumindest als Freiberufler, um als Dienstleister erfolgreich zu sein.

Dominik: Das gilt ja für alle Freiberufler. Ob das jetzt Anwälte oder Ärzte oder Fotografen sind – es gibt ja häufig diesen Kampf, dass du auf der einen Seite die Leidenschaft für ein Fach hast und für die Tätigkeit, die du machst – und auf der anderen Seite einen Mangel an betriebswirtschaftlicher Denke und unternehmerischer Herangehensweise. Und wie Du eine Kanzlei führst, darüber lernst Du nichts! Weder im Studium noch im Referendariat – aber genauso wenig lernst du es im Medizinstudium oder als Fotograf.

Martin: Also ich habe auch mal in Vorlesungen aus dem BWL-Bereich während meines Studiums reingeschaut. Wenn man sich da mal in eine Marketingvorlesung setzt – ich glaube, das ist schon etwas, was allgemeinbildend ist. Man muss ja nicht die Abschlussklausur schreiben, aber da kann man schon einiges mitnehmen.

Dominik: Definitiv ein guter Tipp! Was hast Du sonst noch für Serien aus dem Rechtsbereich geguckt?

Martin: Ich muss sagen, ich hab von manchen gehört, aber durchaus nicht alles gesehen, insbesondere haben ja wahrscheinlich vier von fünf Juristen Suits gesehen. Ich nicht, oder nur sehr ausschnittweise.

Dominik: Ich auch nur teilweise, mir war‘s zu doof.

Martin: Warum zu doof?

Dominik: Mich hat es ein wenig an Gute Zeiten Schlechte Zeiten erinnert. Mir war es einfach von den Charakteren nicht so vielseitig, vielschichtig, tiefgehend wie bei Better Call Saul, der Jimmy. Das sind eher abgeschlossene Folgen, so kurze Dinger –  der Eine ist der Gute, der Andere ist der Schlechte –  das war mir ein bisschen zu einseitig. Ansonsten, finde ich, malt es durch aus ein witziges Bild von einer Großkanzlei.

Martin: Also was ich noch gesehen habe, ist The Good Wife. Sagt Dir das was?

Dominik: Nein.

M: Das ist auch eine US-amerikanische Serie. Die beiden Hauptfiguren sind Eheleute. Sie ist Anwältin und macht zunächst vieles, um seinem Politikerleben nicht zu schaden, aber als die Beziehung sich nicht mehr so gut entwickelt, da entwickelt sie immer mehr ihr eigenes Profil und kommt in ihrer Kanzlei immer größer raus. Ich fand‘s eine Zeit lang spannend, es gab immer pro Folge einen Case, der verhandelt wurde. Aber das wurde dann mit der Zeit ein wenig monoton – man wusste immer, der Case war am Ende der 45 Minuten fertig. Und: Es waren häufig Strafrechtsfälle, die wir als Zivilrechtler vielleicht auch nicht so lieben. Sie hat natürlich immer gewonnen, oder fast immer – und das war irgendwie nicht so eine große Story, wie ich sie bei Better Call Saul erlebt habe.

D: Siehst Du, ich glaube das ist Deine Suits-Erfahrung.

Martin: Also vielleicht ist es dann so: Derjenige, dem Suits gefällt, der kann auch mit The Good Wife eine gute Erfahrung machen, aber keiner sollte eine dieser Serien sehen, wenn er nicht schon Better Call Saul gesehen hat.

Dominik: Auf jeden Fall. Wobei das Problem ist, wenn Du Better Call Saul gesehen hast, dann ist die Fallhöhe extrem. Ich hatte noch eine Serie, die kam nicht ganz an Better Call Saul ran, aber war aus meiner Sicht deutlich besser als Suits – und das war Goliath. Hast du das mal gesehen?

Martin: Davon hab ich nur gehört. Ist mir aber sehr empfohlen worden.

Dominik: Ja, kann ich auch empfehlen. Ist relativ kurz, nur sechs Folgen bei Amazon Prime und Billy Bob Thornton spielt die Hauptrolle. Auch wieder komplett anders – spielt in Kalifornien, und die Hauptfigur war mal früher der Staranwalt und der Rainmaker in der Großkanzlei und gibt sich dann dem Alkohol hin. Nach einer Scheidung kommt er ein bisschen auf die falsche Spur, ist aber trotzdem noch der brillante Anwalt, der er früher war und irgendwie kommt er dann durch Zufall an so einen Fall, wo er eine ganz komische Verschwörung wittert und dann sogar gegen seine ehemalige Kanzlei prozessiert. Wie das Ganze ausgeht, darf ich natürlich nicht verraten, aber ziemlich cool.

Better Caul Saul würde auf jeden Fall fünf Sterne von mir bekommen. Goliath auf jeden Fall vier und Suits – naja zwei bis drei.

Martin: Also bei mir ist Goliath jedenfalls notiert.

Dominik: Ja, kann ich sehr empfehlen. Fazit: Ich glaube, es lohnt sich auf jeden Fall als jemand, der Jura studiert oder sich dafür interessiert, ein bisschen reinzugucken, weil immer verschiedene Aspekte und Seiten dieser Berufsgruppen – ob es jetzt Anwälte oder Richter sind – gezeigt werden. Gerade bei den amerikanischen Serien und auch bei denen, die in Großbritannien spielen, muss man natürlich bedenken: Das ist ein komplett anderes Rechtssystem. Insofern nicht eins zu eins übertragbar auf den deutschen Markt.

Martin: Ich finde auch, als Juristin oder Jurist muss man Jura auch so ein bisschen leben. Also man tut, glaube ich, gut daran, mit der Zeit auch so ein bisschen Eigeninteresse an diesem ganzen juristischen Kram zu entwickeln – und wo kann man das besser, wenn man sich das Ganze gewissermaßen spielerisch auch noch abends reinziehen kann.

Die ganze Podcast-Folge könnt Ihr hier hören: #fussnote Folge 3: Netflix versus Realität – Juraserien im Praxistest.

Jeden zweiten Freitag gibt es eine neue Folge von #fussnote. Hier werden jeweils ein Schwerpunktthema und zwei aktuelle Urteile diskutiert. Der Podcast ist kostenfrei abrufbar auf Spotify und bei Apple iTunes. Alle Folgen des Podcasts gibt es auch auf der Website: #fussnote.

Foto: Adobe Stock/©Proxima Studio
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