In Deutschland setzen sich zahlreiche studentische Initiativen mit ihren Partnern für eine digitale juristische Ausbildung ein. Sie bieten zur Ergänzung universitärer Veranstaltungen Vortragsreihen und Workshops an. Dabei beschäftigen sie sich nicht nur mit Legal Tech. Sie setzen sich auch mit Trends aus anderen Bereichen auseinander, die eine neue Perspektive auf den juristischen Arbeitsalltag erlauben. So veranstaltete die Münsteraner Initiative recode.law am 02.09.19 einen „Rapid Prototyping“-Workshop in den Räumlichkeiten ihres Kanzleipartners Noerr in Düsseldorf.

Entwicklung eines Legal Tech-Prototypen

Nach einer Begrüßungs- und Vorstellungsrunde begann der Workshop mit einem Impulsvortrag zur Relevanz und Bedeutung des Themas „Legal Tech“.

Anschließend übernahm der Workshopleiter David Middelbeck die Bühne, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Konzept des „Rapid Prototyping“ näher zu bringen:

Was ist „Rapid Prototyping“?

„Rapid Prototyping“ bezeichnet eine möglichst einfache, schnelle und kostengünstige Methode, um aus abstrakten Ideen konkrete Lösungsvorschläge zu entwickeln. Das Konzept erlaubt eine kollaborative Zusammenarbeit und ermöglicht es, bereits in einem frühzeitigen Entwicklungsstadium Schwächen eines Produkts zu erkennen und wertvolles Feedback von potenziellen Kunden einzuholen. Bislang wird Rapid Prototyping vor allem von Unternehmen wie Google, Amazon und Apple genutzt. Als Designmethode kann das Erstellen eines digitalen Prototyps aber auch bei der Entwicklung von Legal Tech-Tools eine neue Perspektive schaffen.

Aufgabe der teilnehmenden Studierenden war es nun, mit diesem neu erlangten Wissen in kleinen Teams einen ersten digitalen Prototyp zu entwerfen. Die Anwendungen orientierten sich dabei stark an tatsächlichen Problemen aus dem Kanzleialltag, waren letztlich aber fiktional:

  1. Digitaler Workstream: Die ersten beiden Gruppen wurden von der Praxisgruppe „Digital Business“ mit der Erstellung eines Tools beauftragt, das den jeweiligen Arbeitsstand einzelner Teams in der komplexen Beratung einer internationalen Großbank digital abbilden sollte. Diese hatte die Kanzlei zuvor mit einer umfassenden Umstrukturierung ihrer Geschäftsorganisation mandatiert. Bei der Beratung des Mandanten war eine Beteiligung zahlreicher Experten aus verschiedenen Praxisgruppen erforderlich, deren Koordination sich als besondere Herausforderung herausstellte. Aufgabe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es daher, ein Tool zu entwerfen, dass alle vom Mandanten zur Verfügung gestellten Informationen für alle Bearbeiter zugänglich macht und den gesamten Arbeitsprozess digital darstellt.
  2. Digitales Knowledge-Management-Tool: Angesichts der stetig zunehmenden Regulierungsdichte im Bereich der Financial Services sah sich die Praxisgruppe Regulatory dazu veranlasst, ein Knowledge–Management-Tool für das kanzleiinterne Intranet in Auftrag zu geben. Drei weitere Teams sollten daher eine Anwendung entwerfen, die es Anwältinnen und Anwälten bei der Beratung von Banken, Kreditinstituten und Versicherungen ermöglicht, neben der Mandatsarbeit dauerhaft auf dem neusten Stand zu bleiben und sich über aktuelle Rechtsprechung und Gesetze zu informieren. Neben sofortigen Benachrichtigungen bei relevanten Änderungen, sollte das möglichst benutzerfreundliche Tool außerdem einen zentralen, digitalen Ablageort für neue Dokumente bieten und geeignete Ansprechpartner festlegen.
  3. Digitaler Fristenkalender: Insbesondere in Massenverfahren war es für Anwältinnen und Anwälte bisher schwierig, einen Überblick über einzuhaltende gerichtliche und außergerichtliche Fristen zu behalten. Eingehende Fristen wurden in Excel-Tabellen festgehalten und wöchentlich an die Mitarbeiter des Litigation-Teams verschickt. Aufgabe der letzten beiden Teams war es daher, diesen langwierigen und fehleranfälligen Arbeitsprozess effizienter zu gestalten. Sie sollten einen digitalen Fristenkalender entwerfen, der den jeweils zuständigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten einen Überblick über dringende Verfahren, generelle Arbeitsbelastung und Supportzuteilung verschafft.

Das Tool sollte sich dabei nach Möglichkeit beim Eingang neuer Fristen und dem Versand fertiger Schriftsätze automatisch aktualisieren.

Schnell erhielten die ca. 35 Teilnehmer die Möglichkeit, erste Konzeptideen zu visualisieren und sich von den anderen Gruppen Feedback einzuholen. In Diskussionen wurde an den Ideen gefeilt und fleißig skizziert. Im nächsten Schritt begannen die Gruppen damit, die zuvor entworfenen Sketches, also Entwürfe, zum Leben zu erwecken. Dabei kam es nicht darauf an, ein vollständig funktionsfähiges Tool zu entwickeln. Vielmehr sollte mithilfe einer Software ein visuell möglichst realitätsnaher Prototyp erstellt werden, der eine Vorstellung der Kernfunktionen des Tools erlaubt.

Im Anschluss an die Arbeitsphase erhielten die sieben Gruppen die Möglichkeit, ihre Ergebnisse in einer kurzen fünfminütigen Präsentation vorzustellen. Anschließend beurteilte eine Jury aus Kanzleivertretern die Ergebnisse der Gruppen. Abgerundet wurde der Workshop durch den anschließenden Austausch mit Anwältinnen und Anwälten und anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Fazit: Praxisnaher Legal Tech-Workshop

Durch meine Teilnahme am „Rapid Prototyping“-Workshop der studentischen Initiative recode.law wollte ich mehr über das Design-Konzept „Rapid Prototyping“ erfahren und die Gelegenheit nutzen, gemeinsam mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen ersten eigenen Prototypen für eine App zu erstellen. Praxisnahe Anwendungsbeispiele, sehr gute Impulsvorträge und hilfreiche Tipps der Mentoren machten die Veranstaltung von recode.law letztlich zu einem gelungenen Workshop, der einen Blick über den juristischen Tellerrand ermöglichte und seine Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer neuen Perspektive zurücklässt.

Fotos von: manorlux.de

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