Boutique Kanzlei

Viele Jurastudierende träumen von einer Anwaltskarriere in der Großkanzlei – doch die Wahl des zukünftigen Arbeitgebers will wohlüberlegt sein.

Während die Kommunikation mit Mandantinnen und Mandanten in der Großkanzlei nicht selten „Partnersache“ ist, genießen Anwältinnen und Anwälte in kleineren Kanzleien den direkten Mandantenkontakt und können sich mit eigenen Ideen einbringen. Rechtsanwältin Stefania Angelone hat sich nach dem Referendariat für eine Tätigkeit in der Münchner Kanzlei SYLVENSTEIN Rechtsanwälte entschieden – und schätzt vor allem den Teamzusammenhalt. Im Interview verrät sie, ob das Jurastudium sie auf die Arbeit als Anwältin vorbereitet hat und wie ein typischer Arbeitstag bei ihr aussieht.

Liebe Frau Angelone, warum haben Sie sich nach Studium und Referendariat für die Tätigkeit als Anwältin in einer Boutique-Kanzlei entschieden?

Ich habe bereits während des Studiums und Referendariats die Möglichkeit genutzt, in Kanzleien unterschiedlicher Größe zu arbeiten und so erste Einblicke in das Kanzleileben bekommen.

Für mich bedeutet eine kleinere Kanzlei nicht, dass sie schlechter ist. Eher im Gegenteil. Im Vergleich zu einer Großkanzlei ist die Arbeit als solche natürlich rechtlich ähnlich. Aber in einer kleineren Einheit wächst man als gesamte Kanzlei enorm gut zusammen und kennt sich untereinander sehr gut. Meiner Meinung nach kann man dadurch viel besser auf die Stärken jedes einzelnen Teammitglieds eingehen. Davon profitiert wiederum das ganze Kanzleiteam. Nachdem man das gesamte Team gut kennt, macht die Arbeit einfach auch noch mehr Spaß. Des Weiteren war es mir sehr wichtig, nicht nur an Akten zu arbeiten – ohne jeglichen Mandantenkontakt.

Ich finde es toll, dass man als Rechtsanwältin in einer kleineren Kanzlei direkten Mandantenkontakt hat und so gezielt für seine Mandanten und Mandantinnen kämpfen darf.

Man weiß dadurch, für was man arbeitet und freut sich mit den Mandanten und Mandantinnen umso mehr, wenn man schlussendlich erfolgreich war.

Natürlich unterstützt man die Partner und arbeitet diesen auch mal zu. Das ist aber absolut nicht die Regel. Ich durfte sehr schnell Fälle eigenverantwortlich bearbeiten und das war mir bei meiner Kanzleiwahl sehr wichtig.

Inwieweit kann man in einer kleineren Kanzlei Einfluss auf die internen Strukturen und die Entwicklung der Kanzlei nehmen, und sich mit eigenen Ideen und Meinungen einbringen?

Sich mit eigenen Ideen und Meinungen einzubringen, funktioniert in einer kleineren Kanzlei meiner Erfahrung nach prima. Natürlich kommt es immer ein Stück weit auf den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin an. Bisher habe ich da aber sehr gute Erfahrungen gemacht. Meine Ideen wurden immer angehört und in der Regel auch ähnlich umgesetzt. Gerade in kleineren Kanzleien ist es enorm wichtig, seine Ideen zu äußern. Das schweißt als Team zusammen und die Arbeitgeber:innen und Kolleg:innen sind in der Regel immer froh, wenn sich jemand einbringt. Zudem kann man sehr gut Einfluss auf interne Strukturen nehmen. Oftmals ist es so, dass jedem Kollegen und jeder Kollegin andere Dinge auffallen, die verbesserungswürdig sein könnten. Eine effiziente Kommunikation hilft hier, interne Strukturen zu verbessern.

Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag bei Ihnen aus?

Los geht‘s um kurz vor neun Uhr. Dann wird schnell ein Kaffee gemacht und das E-Mail-Postfach gecheckt. Im Anschluss danach mache ich mir immer eine To-do-Liste für den Tag. Und schon starte ich durch: Schriftsätze erstellen, E-Mails beantworten, Telefonate mit Mandanten und Mandantinnen führen, Vertragsentwürfe erstellen, rechtliche Einschätzungen zu neuen Rechtsanfragen verfassen, Gerichtstermine wahrnehmen etc.

Mein Tag endet dann in der Regel gegen ca. 18 Uhr.

Was genau finden Sie an Ihrem Beruf besonders spannend? Was gefällt Ihnen weniger?

Besonders spannend finde ich die Mandatsarbeit und den nahen Kontakt zu meinen Mandanten und Mandantinnen. Man wird immer wieder mit unterschiedlichen Schicksalen und rechtlichen Problemen konfrontiert, die es zu lösen gilt. Genau diese Abwechslung liebe ich an meinen Beruf. Es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, einen Lösungsweg zu erarbeiten, der meine Mandantschaft glücklich macht. Weniger gut gefällt mir das lange Sitzen. Da helfen aber die bei uns vorhandenen höhenverstellbaren Schreibtische sehr.

Auf welche Aspekte Ihrer Tätigkeit hat das Jurastudium und Referendariat Sie vorbereitet – und auf welche eher nicht?

Leider muss ich sagen, dass mich das Jurastudium nicht wirklich auf meine Tätigkeit als Rechtsanwältin vorbereitet hat.

Natürlich habe ich im Studium gelernt, wie man das Recht richtig anwendet und juristische Sachverhalte bewertet. Das ist auch unerlässlich – und ohne das Studium könnte ich nicht als Rechtsanwältin tätig sein.

Die sogenannten „Soft Skills“ erlernt man im Studium aber leider nicht. Im Referendariat lernt man dann, wie man Klagen und Klageerwiderungen schreibt – das hilft auf jeden Fall für die spätere Tätigkeit. Leider lernt man aber nicht, insbesondere Laien, juristisch komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären. Das muss man im Job erst einmal lernen –  das ist am Anfang eine der größten Herausforderungen.

Wie würden Sie Ihre Work-Life-Balance bewerten?

Ich würde meine Work-Life-Balance als gut bewerten. Klar gibt es immer wieder einmal Tage, an denen ein bisschen mehr Arbeit anfällt. Die sind aber zum Glück doch eher die Ausnahmen. Tendenziell würde ich die Work-Life-Balance in einer kleineren Boutique-Kanzlei besser bewerten als in einer größeren Kanzlei. Viele meiner ehemaligen Kommiliton:innen, die jetzt in größeren Kanzleien tätig sind, sitzen teilweise bis spät abends im Büro und haben kaum ein Privatleben. Zeit für das Privatleben bleibt auf jeden Fall bei einer Tätigkeit in einer kleineren Kanzlei und das war mir persönlich sehr wichtig!

Frau Angelone, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten.

Weitere juristische Berufsbilder lernt ihr in der mkg-jura-studis.de-Spezialausgabe „Jurastudium – und dann?“ kennen:

Hier gratis downloaden

Foto: Adobe.Stock/©REDPIXEL

CategoryAnwaltsberuf

mkg-jura-studis.de