Anwalt ist noch lange nicht gleich Anwalt! Neben dem Rechtsgebiet ist auch entscheidend, ob man als Unternehmensanwalt in einem Konzern oder als Rechtsanwalt in einer Kanzlei arbeitet.
Meine Erfahrungen
Ich habe beide Seiten kennengelernt, denn ich habe die ersten vier Jahre meiner Karriere in der Rechtsabteilung eines großen Konzerns mit 4.000 Mitarbeitern gearbeitet. In der Rechtsabteilung waren 65-70 Juristen aus mehreren spezialisierten Abteilungen beschäftigt.
Ich bin zunächst zu diesem Konzern gegangen, weil dieser einen Sender betreibt und ein eigenes Programm produziert. Dies hat sich mit meinem Interessensgebiet, dem Medien- und Entertainmentrecht gedeckt. Nach diesen vier Jahren habe ich eine Kanzlei mit Kollegen gegründet, bediene aber noch immer den gleichen Bereich.
Der Unterschied zwischen Unternehmensanwalt und Rechtsanwalt
- Als angestellter Anwalt in einem Unternehmen arbeitet man in einer Abteilung von vielen. Von den Fachabteilungen werden sich von den Juristen Einschätzungen zu Texten geholt. Was muss berücksichtigt werden, worauf soll geachtet werden und wo sind die rechtlichen Stolperstellen? Das ist dann aber vom Ablauf nicht so formal, wie bei der Beauftragung einer Kanzlei, die dann ein Gutachten schreibt. Im Unternehmen erfolgt dies ggf. in Meetings zu einem Zeitpunkt, wo der Arbeitsprozess noch entscheidend geprägt werden kann. Man kann also früh an unternehmerischen Entscheidungen teilnehmen und diese beeinflussen. Beauftragt man einen fremden Anwalt aus einer Kanzlei, findet dies meist zu einem viel späteren Zeitpunkt statt. Manchmal ist die Entscheidung bereits getroffen. Noch schlimmer ist es, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und es schon Ärger gibt. Dann muss der Anwalt ggf. prüfen, welche Ansprüche bestehen oder ob man vor Gericht muss. Aber natürlich gibt es auch Fälle, in denen ein Kanzleianwalt vorab eingeschaltet wird. Zusammenfassung: Der Unternehmensanwalt prüft früh im Vorfeld Entscheidungen auf juristische Machbarkeit, der Kanzleianwalt prüft nachträglich, was noch zu retten ist.
- Als Kanzleianwalt hat man viele verschiedene Mandanten. Im Unternehmen hat man nur den einen großen Mandanten. Es kann zwar sein, dass wie in meinem Fall, viele Tochtergesellschaften existierten, dann sind es auch wieder einzelne Mandanten. Im Großen und Ganzen gibt es aber nur diesen einen Konzern und man betrachtet immer die Auswirkungen auf den Konzern, da es rechtlich um das eine Produkt geht. Während man als Kanzleianwalt immer mal die Perspektive wechselt, eben durch die vielen Mandate. Manchmal vertritt man den Auftraggeber, dann wieder den Auftragnehmer, oder Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
- Als Unternehmenswalt hat man deutlich weniger vor Gericht zu tun, als der Kanzleianwalt. Vor dem Landgericht darf man als angestellter Anwalt generell nicht auftreten. Da benötigt man einen externen Anwalt. Beim Amtsgericht ist die Vertretung durch einen angestellten Anwalt grundsätzlich möglich, hängt in der Regel aber vom Unternehmen ab. Das gibt es zum Beispiel bei einer Fluglinie, die Streitigkeiten mit Flugpassagieren hat. Da werden auch die angestellten Anwälte vor Gericht geschickt. Aber das ist viel seltener.
Gehaltsunterschiede
Am Gehalt lassen sich nicht unbedingt Unterschiede ausmachen. Das ist aber von der Größe des Unternehmens abhängig, bei dem man als angestellter Anwalt arbeitet. Auch die Branche spielt eine Rolle. Dies gilt vergleichbar für große und kleine Kanzleien. Es gibt eine Übersicht bei Azur, wo man sich einen Überblick verschaffen kann.
Persönliches Fazit: Lernt beide Seiten kennen!
Vieles was ich im Unternehmen gelernt habe, kann ich heute noch anwenden. Ich weiß, wie angestellte Anwälte ticken. Die Entscheidungsfindung ist mir bekannt. Das kann wichtig sein, wenn man als Anwalt Unternehmen betreut. Im Unternehmen ist Jura nicht alles. Es gibt dort auch unternehmenspolitische oder wirtschaftliche Entscheidungen. Man kann seinen Input geben als Anwalt, aber die juristische Argumentation ist nur ein Baustein.
Diese Erfahrungen könnt ihr im Praktikum oder Referendariat selbst machen. So leicht wie im Referendariat hat mach nicht mehr die Möglichkeit, in ein Unternehmen zu kommen. Mit dem Unternehmen, in dem ich während des Referendariats gearbeitet habe, besteht noch heute Kontakt und ich bin für es als Anwalt tätig.
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