Das Thema Legal Tech wird in der Rechtsbranche heiß diskutiert – in der juristischen Ausbildung spielt es jedoch noch eine eher unbedeutende Rolle.
Jetzt werden Studenten und Studentinnen selbst tätig: Die Legal Tech University soll da ansetzen, wo die Lehrvermittlung zu Legal Tech an den Universitäten aufhört. Wie genau die Lernplattform den Studierenden Legal Tech vermitteln möchte und wieso es bereits für Jurastudierende sinnvoll ist, sich mit Legal Tech auseinanderzusetzen, verrät uns Gründungsmitglied Helge von Bülow im Interview.
Lieber Herr von Bülow, was genau ist die Legal Tech University?
Wir arbeiten seit knapp einem Jahr mit Expertinnen und Experten an einer kostenfrei zugänglichen und interaktiven Lernplattform zur Vermittlung von Grundlagenwissen über die Zukunft der Rechtsbranche. Dabei wollen wir digital in 25 verschiedenen Einheiten einen detaillierten Überblick über die wichtigsten Grundlagen, aktuelle Anwendungsfälle von Technologie in der Rechtsbranche und ihre Auswirkungen auf die Arbeit von Juristinnen und Juristen geben. Unter anderem betten wir in die Plattform bestehende Tools ein, um ein abwechslungsreiches Lernen zu ermöglichen.
Obwohl Legal Tech schon seit einigen Jahren ein großes Thema in der Rechtsbranche ist, sind die Universitäten sehr schwerfällig, was die Implementierung von Legal Tech in die juristischen Studiengänge angeht. War das einer der Gründe, wieso Sie sich dazu entschlossen haben, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und die deutsche Legal Tech University zu gründen?
Die angesprochene Expertise der Legal Tech University stammt aus Kanzleien, Start-ups, der Justiz, der Politik und nicht zuletzt natürlich auch von den Universitäten. Diese Unterstützung ist ausgesprochen erfreulich und daher kann man nicht pauschal sagen, dass es keine universitären Ambitionen in dem Bereich gibt.
Zugleich sprechen Sie natürlich auch einen wahren Kern an: Die Idee eines eigenen Mediums zur Vermittlung von Wissen in dem Bereich haben wir ins Leben gerufen, weil wir bei den Studentinnen und Studenten eine unglaubliche Begeisterung für das Thema erleben konnten, das Informationsbedürfnis durch die Universitäten und auch außeruniversitär aber nicht ausreichend gestillt wurde. Dies liegt auch daran, dass das vorhandene Fachwissen bundesweit verteilt ist.
Darüber hinaus haben wir damals festgestellt, dass wir neuen Mitgliedern dieses Wissen nicht umfangreich vermitteln konnten, da wir auch nicht über das spezifische Wissen verfügten, alle aufkommenden Fragen in dem Zusammenhang beantworten zu können. Dadurch kam die Idee der Einbettung außenstehender Expertise auf. Das von Anfang an unter der Leitung unseres Vorsitzenden Steffen Kootz stehende Projekt ist seitdem enorm gewachsen; die erste Version wird nach jetzigem Stand auch bald online gehen.
Letztlich geht die Plattform selbstverständlich darauf zurück, dass keine vergleichbare Alternative existiert, mithilfe derer man sich Wissen zum Thema Legal Tech auf einen Schlag so abwechslungsreich und unkompliziert aneignen kann. Wir verstehen uns ausdrücklich aber als ein komplementäres Angebot zu den Universitäten und setzen uns auch weiterhin dafür ein, das Thema auch aus wissenschaftlicher Sicht anzugehen.
Welche Voraussetzungen muss ich mitbringen, um teilnehmen zu können?
Keine! Die Plattform ist kostenlos, für jeden verfügbar und richtet sich gerade auch an interessierte Beginner, die noch keine oder wenige Berührungspunkte mit Legal Tech hatten, dies aber ändern wollen.
Das Jurastudium allein ist bereits schwer und lernintensiv. Lässt sich der Kurs gut mit dem Studium vereinbaren?
Selbstverständlich müssen wir in unserem Studium Prioritäten setzen. Da die Plattform aber digital angeboten wird und die Fortschritte abgespeichert werden, kann man sich die Beschäftigung damit zeitlich sehr flexibel aufteilen.
Um dennoch weitere Anreize zu setzen, sind wir in Gesprächen, die Plattform in universitäre Veranstaltungen wie einer (verpflichtenden) Schlüsselqualifikation einzubinden. Darüber hinaus soll jede Absolventin und jeder Absolvent eine Teilnahmeurkunde ausgestellt oder Credits angerechnet bekommen.
Wieso ist es wichtig, mich auch als Jurastudentin oder -student schon mit Legal Tech zu befassen?
Der Einsatz von Legal Tech lohnt sich vor allem dann, wenn man rechtsgebiets- und berufsübergreifend Abläufe effizienter gestalten kann. Gerade gleichförmige und wiederkehrende Tätigkeiten werden mithilfe entsprechender Software derzeit vereinfacht oder ersetzt. Solche Tätigkeiten sind selbstverständlich auch in juristischen Berufen überall anzufinden, sei es in der Justiz, in Behörden, in Kanzleien, in Rechtsabteilungen oder sonstigen Unternehmen. Selbst in Bezug auf komplexere individuelle Arbeitsabläufe bestehen große Automatisierungspotentiale, denken wir bspw. an die derzeitigen Erfolge im Bereich der Künstlichen Intelligenz.
Wie sollte ich also mit diesen Veränderungen umgehen? Man kann natürlich alles auf sich zukommen lassen. Mit Sicherheit wird dies für einige auch aufgehen.
Auf der anderen Seite kann man sich aber auch proaktiv mit den Veränderungen auseinandersetzen. Gerade in Bezug auf die Schnittstelle zwischen IT und Jura werden Kompetenzen gefragt sein. Das bedeutet nicht, dass jede Juristin und jeder Jurist in Zukunft programmieren können muss. Von Vorteil wird es aber sein, die dahinterstehenden Zusammenhänge zu verstehen.
Welche Vorteile bringt die Teilnahme an der Legal Tech University nach dem Examen bei der Jobsuche?
Durch diesen Kurs wollen wir das grundlegende Wissen vermitteln, das es angehenden Juristinnen und Juristen bei Berufseinstieg ermöglicht, heutige Arbeitsprozesse und die Einsatzmöglichkeiten von Legal Tech zu verstehen.
Die Notwendigkeit der Auseinandersetzung wird von Bereich zu Bereich zwar unterschiedlich sein, aber insgesamt noch stark zunehmen. Gerade für zukünftige Jahrgänge kann ein z. B. im Rahmen einer Schlüsselqualifikation erlangter Nachweis Vorteile bringen, davon bin ich überzeugt.
Für mich gab es aber über die persönlichen Jobchancen hinausgehend immer noch eine weitere Motivation mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen: Legal Tech ist eine Ausprägung einer der weitreichendsten gesellschaftlichen Veränderung unserer Zeit – der „Digitalisierung“. Teil dieser Entwicklung zu sein und sich das Handwerkszeug anzueignen, irgendwann vielleicht auch einmal selbst eine – sei es auch kleine – Veränderung anzustoßen, finde ich besonders spannend.
Vielen Dank für das Interview!
Ich habe mich zu bedanken.
Weitere Infos zur Legal Tech University findet Ihr hier:
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