Juristenausbildungsgesetz JAG

Seit Jahren steht eine Reform des Juristenausbildungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen an. Nun wurde das Reformgesetz in den Landtag eingebracht. Die Landesfachschaft Nordrhein-Westfalen e. V. sowie der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e. V. (BRF) haben dieses Gesetz kritisch begutachtet, dazu Stellung bezogen und eine Petition ins Leben gerufen. Kritik: Eine grundlegende Reform, die das rechtswissenschaftliche Studium zeitgemäßer macht, sei nicht zu erkennen. Viele Änderungen scheinen zudem nicht durchdacht und gehen klar zulasten der Studierenden.

Kritische Begutachtung des neuen Gesetzes

Dieser Beitrag soll gezielt einige Aspekte der geplanten Reform herausgreifen, die nach Meinung der Landesfachschaft Nordrhein-Westfalen e. V. sowie des BRF so nicht akzeptabel sind.

Erweiterung der Zulassungsvoraussetzungen zum Ersten Staatsexamen

§ 7 Nr. 5 JAG-E sieht vor, dass in Zukunft fünf Aufsichtsarbeiten sowie fünf Hausarbeiten anzufertigen sind, um zum Staatsexamen zugelassen zu werden. Während die Aufsichtsarbeiten vor allem im Hinblick auf das Staatsexamen als durchaus sinnvoll zu werten sind, ist eine Erweiterung der Hausarbeiten auf fünf völlig unverständlich. So ist die Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen zwar nicht völlig außer Acht zu lassen, jedoch sollte der Schwerpunkt darin liegen, eine Routine in der Klausurpraxis zu erlangen. Die Anfertigung von drei Hausarbeiten, jeweils im Zivilrecht, Öffentlichen Recht und Strafrecht, wird als völlig ausreichend angesehen. Zudem können so Semesterferien intensiver für Praktika, Moot Courts oder schlichtweg zur Nachbearbeitung des Stoffes genutzt werden.

Beteiligung von Hochschullehrenden an der staatlichen Pflichtfachprüfung

Die §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 1 Satz 2 JAG sehen derzeit vor, dass sowohl im schriftlichen, als auch im mündlichen Teil der staatlichen Pflichtfachprüfung mindestens ein Hochschullehrender beteiligt werden soll. Da das Justizprüfungsamt Studierende jedoch regelmäßig dazu auffordert, auf ihr Recht der Beteiligung von Hochschullehrenden zu verzichten, sind die gesetzlichen Regelungen quasi gegenstandslos. Aus diesem Grund soll in dem neuen Entwurf die derzeitige Regelung abgeschafft oder zumindest abgeschwächt werden. Da jedoch gerade der universitäre Standpunkt nach jahrelanger universitärer Ausbildung prägend ist, wäre eine Abschaffung der derzeit geltenden Regelungen nicht förderlich. Stattdessen sollte das Justizprüfungsamt eher dafür sorgen, dass in Zukunft die Beteiligung von Hochschullehrenden sowie die Zusammenarbeit zwischen Hochschule und Praxis ausgebaut werden.

Qualitätsverlust durch Neuregelung der Zwischenprüfung

Die Regelung des § 28 Abs. 2 JAG-E führt nach Meinung der Landesfachschaft Nordrhein-Westfalen e.V. sowie des BRF zu weniger Qualität im Rahmen der Zwischenprüfung. Diese sieht vor, dass die studienbegleitende Zwischenprüfung im Rahmen von mehreren Semesterabschlussklausuren abgeschafft werden soll. Stattdessen sollen nach drei Semestern drei Zwischenprüfungen jeweils im Zivilrecht, Strafrecht und Öffentlichen Recht erfolgen. Die neue Regelung führt dazu, dass examensrelevante Rechtsgebiete, die ab dem vierten Semester auf dem Plan stehen, vernachlässigt werden. Auf Dauer führt dies zu einer schlechteren Vorbereitung auf das Staatsexamen.

Neustrukturierung des universitären Schwerpunktstudiums

Der neue §28 Abs. 3 JAG-E führt zu einer massiven Umstrukturierung des Schwerpunktstudiums. Dieses soll in Zukunft auf eine Aufsichtsarbeit, eine Seminararbeit sowie eine mündliche Prüfung eingegrenzt werden. Im Hinblick auf die spätere Praxis führt eine solche Regelung zu einem weiteren Qualitätsverlust im Rahmen der juristischen Ausbildung. Denn gerade die heutige Praxis lebt geradezu von einem hohen Spezialisierungsgrad. Man sollte in der Lage sein, sich auch außerhalb der klassischen Fallprüfung auf unbekanntem Terrain zu bewegen.

Verbesserungsversuch soll teuer werden

§ 65 Abs. 2 Nr. 1 JAG-E sieht vor, dass der Verbesserungsversuch ab sofort mit Kosten verbunden sein soll. Eine solche Regelung ist völlig unverständlich. So führt sie zu einer Benachteiligung von Studierenden, die aus finanziell schlechteren Verhältnissen kommen. Zudem sollte nicht vergessen werden, dass bereits Gesetzestexte sowie private Repetitorien eine Menge Geld kosten. Es gibt keinen Grund, warum angehende Juristinnen und Juristen einer weiteren derartigen finanziellen Belastung ausgesetzt werden sollten.

Abschaffung der Abschichtung tatsächlich sinnvoll?

Die in § 12 JAG enthaltene Regelung der Abschichtung soll abgeschafft werden. Dies führt dazu, dass der Druck und das Gefühl, dem Stress des Staatsexamens nicht gewachsen zu sein, noch stärker werden. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum angehende Juristinnen und Juristen einem derart unangemessen hohen Druck ausgesetzt werden sollen. Dieser führt letztendlich nicht zu besseren Examensergebnissen, sondern dazu, dass fachlich gute Studierende aufgrund des Drucks das Studium teils nicht beenden. Dies kann vor allem nicht im Sinne der späteren Arbeitgeber sein. Statt die Abschichtung abzuschaffen zu wollen, sollte eine solche Möglichkeit lieber in allen Bundesländern eingeführt werden.

Freisemester für Eltern- und Pflegezeit grundsätzlich sinnvoll

Die Aufnahme der Möglichkeit eines Freisemesters im Rahmen der Eltern- und Pflegezeit ist grundsätzlich als absolut positiv zu werten. Jedoch gibt es auch hier einen Haken. Diese Möglichkeit gibt es nur dann, wenn diese Zeit während des Semesters in Anspruch genommen wird. Nicht dazu zählen soll die vorlesungsfreie Zeit. Wie Jurastudierende jedoch wissen, sind auch während der vorlesungsfreien Zeit entweder Hausarbeiten anzufertigen oder Praktika zu absolvieren. Aus diesem Grund ist eine solche Ungleichbehandlung nicht nachvollziehbar.

Neue Gewichtung der mündlichen Prüfung

§ 18 JAG-E sieht vor, dass die mündliche Prüfung neu gewichtet werden soll, um eine bundesweite Vereinheitlichung zu gewährleisten. Jedoch ist auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Bayern die Bewertung der mündlichen Prüfung mit einer Wertigkeit von 30 Prozent vorgesehen. Eine Ungleichheit im Verhältnis zu anderen Bundesländern ist an dieser Stelle also nicht gegeben. Vielmehr würde diese Regelung dazu führen, dass die Qualität im Vergleich zu anderen Bundesländern sinken würde und eine Anerkennung in diesen nicht problemlos möglich wäre.

Ist das neue Gesetz überhaupt zeitgemäß?

Im Großen und Ganzen überwiegen somit trotz einiger positiver Ansätze die negativen Aspekte deutlich. Die Ziele der Reform sollten eigentlich sein, das rechtswissenschaftliche Studium zum einen studentenfreundlicher, zum anderen zeitgemäßer zu gestalten. Der derzeitige Entwurf des neuen Gesetzes bewirkt jedoch eher das Gegenteil. An einigen Universitäten wurde beispielsweise der Bachelor of Laws mittlerweile integriert, sodass zum einen der Druck des Staatsexamens sinkt, zum anderen das Studium zeitgemäßer wird. Es gibt keinen Grund, warum andere Studiengänge europaweit vereinheitlicht werden, während das Jurastudium immer noch an alten Mustern festhält.

Meine ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Jurastudium

Ich persönlich habe das klassische Jurastudium genau aus den oben genannten Gründen nicht zu Ende geführt. Ich habe während des Repetitoriums zum Bachelor of Laws gewechselt und festgestellt, dass ein Lernen ohne unverhältnismäßig hohen Druck weitaus sinnvoller ist. Auch, wenn ich aus meinem jahrelangen Jurastudium sehr viel Grundwissen mitbrachte, stellte ich fest, dass ich durch gezieltes Lernen auf Semesterabschlussklausuren weitaus mehr mitnahm, als durch ein vergleichsweise oberflächliches Lernen über alle Rechtsgebiete hinweg. An meiner Universität in Bayreuth gab es damals noch nicht die Möglichkeit, einfach in den Bachelor of Laws zu wechseln.

Deshalb habe ich an der Fernuniversität in Hagen nach Anerkennung einiger Prüfungsleistungen meinen Abschluss gemacht. Auch, wenn sich seitdem schon einiges getan hat, würde ich mir wünschen, dass gerade durch die flächendeckende Einführung von Semesterabschlussklausuren und vor allem durch die Möglichkeit eines integrierten Bachelor of Laws das gesamte Studium  zeitgemäßer und vor allem sinnvoller gestaltet werden würde. Ich denke, dass viele Regelungen nicht einmal begründet werden können, frei nach dem Motto: „Das haben wir schon immer so gemacht“. Im Zuge einer anstehenden Pensionierungswelle sollte über nachhaltige Reformen nachgedacht werden, die bewirken, dass sich ausreichend Nachwuchskräfte für das Jurastudium begeistern lassen – und dieses auch meistern können.

Foto: Adobe Stock/©kite_rin
CategoryExamen, Jurastudium

mkg-jura-studis.de