Ich bekomme häufig Fragen zum Thema Schwerpunkt im Jurastudium gestellt – wie wichtig ist die Note im Verhältnis zur Staatsnote? Wie entscheide ich mich für den richtigen Bereich? In diesem Beitrag geht es um meine persönliche Historie und Perspektive als Student und mittlerweile Arbeitgeber.
Schwerpunkt im Jurastudium – strategisch oder nach persönlichen Interessen wählen?
Ich habe mich im Schwerpunktbereich für etwas entscheiden, was mich interessiert. Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten, nach denen man den Schwerpunktbereich auswählt: entweder nach Interesse oder strategisch. Wenn man sich zum Beispiel für Strafrecht entscheidet, kann man sich natürlich aus beiden Gründen dafür entscheiden – aber Strafrecht kommt auch in jedem Examen vor. Wenn ich mich für diesen Schwerpunkt entscheide, dann entscheide ich mich also für etwas, das ich sowieso lernen muss. Ich kann hier also strategisch vorgehen – nach dem Motto „doppelt gemoppelt hält besser“. Natürlich kann man Strafrecht aber auch aus reinem Interesse wählen, oder weil man später als Strafverteidiger oder Staatanwältin arbeiten möchte.
Persönlich würde ich ganz stark dazu raten, nach eigenem Interesse zu gehen. Jura ist so ein breites Feld – natürlich kann man da ganz viele strategische Entscheidungen treffen. Genauso kann man sagen, man möchte Ingenieur werden, weil man da viel verdient – obwohl man überhaupt nicht technisch denkt und Mathematik überhaupt nicht interessiert für einen ist. Aus demselben Grund kann man Jura studieren, auch wenn das Recht einen null interessiert. Dann ist das zwar eine strategische Wahl, aber wenn das sich mit den eigenen Interessen zumindest nicht ein bisschen deckt, wird das Jurastudium schwierig und zäh.
Wenn es keinen Spaß macht, dann wird man außerdem niemals so gut werden, dass man vielleicht den Durchschnitt überholt. Es gibt in Deutschland mehr als 160.000 Anwälte. Es ist also nicht so, dass die Welt und Deutschland noch auf einen zusätzlichen Anwalt gewartet hat, aber wenn man in der Sache gut ist, dann wird man seinen Weg finden. Ich bin zum Beispiel mit Europarecht nie warm geworden – mit Strafrecht übrigens auch nicht. Und das nur zu wählen, weil das im Examen drankommt, kam für mich nicht infrage. Ich wollte mich mit Markenrecht beschäftigen und das ist auch etwas, was ich heute im Beruf mache.
Welche Rolle spielen Noten im Schwerpunktbereich für Arbeitgeber?
Es hängt natürlich von den Unis und Bundesländern ab, wie sehr der Schwerpunkt gewichtet wird, aber ich denke, man kann tendenziell sagen, dass die Noten im Schwerpunkt die Noten im Staatsteil bei den meisten übertreffen. Man kann den Schnitt also in der Regel durch den Schwerpunkt verbessern. Beim Arbeitgeber Staat kann es gut sein, dass die Staatsnote herausgerechnet wird. Ich weiß aber, dass es in Kanzleien – in großen wie in kleinen oder mittleren – ein bisschen lockerer gehandhabt wird. Wenn ich mir als Arbeitgeber eine Bewerbung angucke, schaue ich schon darauf, wie der Staatsteil, bzw. der Schwerpunktbereichsteil ausgefallen ist. Aber wichtig ist für mich nicht so sehr die Erkenntnis, dass die Gesamtnote wahrscheinlich durch den Schwerpunktbereich nach oben gehoben wurde. Wenn das nicht komplett unter aller Kanone ist, dann spielt das für mich keine große Rolle. Für mich ist es interessanter zu sehen, ob der Schwerpunktbereich vielleicht zu ausgeschriebenen Praktika passt oder ob grundsätzlich eine Richtung zu erkennen ist, die sich mit einem der Bereiche deckt, die wir in der Kanzlei anbieten.
Schwerpunkt hin oder her – das Gesamtbild muss stimmen
Gerade momentan höre ich in München an allen Ecken, dass die Kanzleien händeringend Berufseinsteiger suchen – die können es sich nicht leisten zu sagen: „Ich will jemanden, der neun Punkte im Staatsteil und mindestens neun Punkte im Schwerpunktbereich hatte.“ Wenn man inklusive Schwerpunkt das Jurastudium im befriedigenden Bereich abschließt, dann hat man sehr gute Chancen, irgendwo unterzukommen. Da meine Kanzlei in vielen Spezialisierungen tätig ist, ist es für mich wichtig, dass diese Spezialisierung sich mit dem Bewerber deckt. Ich bin bei uns in der Kanzlei zuständig für den Bereich Medien- und Entertainmentrecht. Das heißt, wir beraten Fernsehsender, Produktionsfirmen und Werbeagenturen. Da ist es mir auch wichtig, dass jemand, der sich für diesen Bereich bewirbt, ein gewisses Interesse oder Berufserfahrung vorweisen kann. Das Interesse für den Bereich ist aus meiner Sicht sehr wichtig, damit man die entsprechende rechtliche Beratung dazu auch bieten kann.
Fazit: Schwerpunkt nach Interesse wählen, nicht nach Strategie
Ich würde den Schwerpunktbereich immer nach dem Interesse wählen, nicht nach einer Strategie. Was die Bewertung angeht: Natürlich spielt das eine Rolle und es kann bei gewissen Arbeitgebern so sein, dass die den Schwerpunkt rausrechnen. In der Anwaltschaft wird es natürlich zur Kenntnis genommen, aber das spielt nicht die entscheidende Rolle. Man schaut sich als Arbeitgeber den kompletten Lebenslauf an – was hatte die Person insgesamt für Noten? Hat sie Praktika gemacht? Spricht die Person englisch? Da zählt das Gesamtbild. Egal, nach welchen Kriterien ihr also der Schwerpunktbereich wählt, schaut, dass ihr eine langfristige Wahl trifft!