Wie in jeder Wissenschaft gibt es auch in der Rechtswissenschaft unendlich viele Gebiete. Sich überall gleich gut auszukennen, ist wohl kaum möglich. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich möglichst frühzeitig zu spezialisieren.
Hier gibt es natürlich die Klassiker, wie beispielsweise das Arbeitsrecht, das Vertragsrecht oder auch das Handels- und Gesellschaftsrecht. Eine Spezialisierung, die dagegen nicht allzu häufig anzutreffen ist, ist das Medizinrecht. Im folgenden Artikel soll deshalb dargestellt werden, womit sich das Medizinrecht eigentlich beschäftigt, was ein Medizinrechtler bzw. eine Medizinrechtlerin tut und ob eine Spezialisierung bereits während der Ausbildung sinnvoll sein kann. Dabei berichte ich von meiner eigenen Schwerpunktsetzung während des Jurastudiums.
Das Medizinrecht als Querschnittsmaterie
Das Medizinrecht ist eine Querschnittsmaterie, die sich aus vielen verschiedenen Rechtsgebieten und Gesetzen zusammensetzt. Gerade deshalb ist diese Thematik sehr vielschichtig und dadurch besonders interessant. Das Medizinrecht regelt auf der einen Seite die Arzthaftung, also das haftungsrechtliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient, auf der anderen Seite jedoch auch Gebiete, wie das Recht der Honorierung bei Privatpatienten mittels der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) oder der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ).
Weitere Gebiete sind beispielweise:
- Sozialversicherungsrecht (insbesondere das SGB V)
- Honorierung der Behandlungsleistungen von Vertragsärzten oder Vertragszahnärzten
- allgemeines Berufsrecht (z. B. Approbation, Berufsordnungen der Landesärztekammern)
- Arztwerberecht
- Berufsausübungsrecht
- Ärztliches Gesellschaftsrecht
- Recht der Praxisübertragung
- Spezielle Regelungen zur Berufsausübung (z. B. Röntgenverordnung)
- Krankenhausrecht
- Rettungsdienstrecht
- Recht der nichtärztlichen Heilberufe
- Recht der Apotheken
- Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Pharmarecht
Warum habe ich mich für das Medizinrecht entschieden?
Neben seiner Eigenschaft als Querschnittsmaterie bietet das Medizinrecht durch seine Aktualität und seine zahlreichen Spezialisierungsmöglichkeiten enorm viele Möglichkeiten für eine persönliche und fachliche Weiterentwicklung. Des Weiteren kommt es zwangsläufig immer wieder zu einer Zusammenarbeit sowie zu einem Austausch mit verschiedenen Vertretern des Gesundheitswesens. Dies führt dazu, dass man einen Blick über den Tellerrand der juristischen Arbeit hinauswirft und auch andere Wissenschaften etwas näher kennenlernt. Eine solche Arbeitsweise schätze ich persönlich ganz besonders.
Wo kann man als Medizinrechtler oder Medizinrechtlerin arbeiten?
Denkt man an das Medizinrecht, geht der erste Gedanke wohl meist in Richtung Klinikmanagement. Die Rechtsabteilung einer Klinik ist sicher ein Weg, im Bereich Medizinrecht tätig zu werden, jedoch gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten. Es gibt Kanzleien, die sich ausschließlich auf Medizinrecht spezialisiert haben, meist sogar mit Unterspezialisierungen, wie Arzt- und Patientenvertretungen. Des Weiteren kann man beispielsweise bei Krankenversicherungen oder Pharmaverbänden tätig werden.
Welche Qualifikationen sind wichtig?
Entscheidet man sich, im Medizinrecht tätig zu werden, sollte man – wie bereits oben erwähnt – dazu bereit sein, über den Tellerrand der juristischen Arbeit hinauszusehen. Arbeitet man beispielsweise als Anwalt oder Anwältin im Medizinrecht, wird man sich nicht selten durch Patientenakten oder medizinische Studien wühlen müssen. Es ist selbstverständlich kein zusätzliches Medizinstudium notwendig, dennoch sollte man sich als Medizinrechtler oder Medizinrechtlerin mit einigen Fachtermini auseinandersetzen sowie ein gewisses Interesse an der Medizin mitbringen.
Schwerpunktsetzung bereits in der Ausbildung möglich?
Eine Schwerpunktsetzung ist an einigen Universitäten bereits während der Ausbildung möglich. Ich persönlich habe während meines Studiums an der Universität Bayreuth durch den Schwerpunkt im Wirtschafts-, Medizin-, und Steuerstrafrecht erste Berührungspunkte mit dem Medizinrecht machen können. In meiner Abschlussarbeit konnte ich mich anschließend tiefergehend mit dem Thema Off-Label-Use[1] beschäftigen. Aber auch an Universitäten, an denen entsprechende Schwerpunktbereiche nicht vorgesehen sind, gibt es viele Möglichkeiten. Während meines Studiums an der Fernuniversität Hagen verfasste ich meine Bachelorarbeit zwar primär im Arbeitsrecht, beschäftigte mich jedoch hier mit der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes in Kliniken, blieb also auch hier dem Medizinrecht zumindest in gewisser Weise treu. Absolviert man nach dem Ersten Staatsexamen das Referendariat, so ist es insbesondere in der Wahlstation möglich, sich einen entsprechenden Ausbildungsplatz zu suchen. In der Anwaltsstation kann man sich gezielt bei Anwaltskanzleien für Medizinrecht bewerben.
Fazit: Frühe Schwerpunktsetzung kann sich lohnen!
Zukünftige Medizinrechtler und Medizinrechtlerinnen sollten in jedem Fall die Bereitschaft mitbringen, über den Tellerand zu schauen und ein Stück weit interdisziplinär zu arbeiten. Eine frühe Schwerpunktsetzung kann sicher lohnenswert sein, ist jedoch nicht unbedingt notwendig. Die eine kennt ihre Stärken und Interessen bereits in den ersten Semestern, der andere erkennt erst im Laufe des Berufslebens, was ihm tatsächlich liegt.
[1] zulassungsüberschreitender Gebrauch von Arzneimitteln
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