Im Jahr 2003 hat Prof. Dr. Bernd-Dieter Meier von der Leibniz Universität Hannover in seiner Studie „Ist der Erfolg im Jurastudium vorhersagbar?“ den Zusammenhang zwischen Abiturnoten und der Wahrscheinlichkeit des Bestehens im Examen untersucht. In der dort untersuchten Stichprobe zeigte sich, dass die ungewichtete Durchschnittsnote im Abitur sowohl das Bestehen als auch die Note des Examens relativ gut vorhersagen konnte. Im Interview mit mkg-jura-studis.de spricht er über die Erkenntnisse seiner Studie und ob man als Mathemuffel lieber nicht Jura studieren sollte.
Herr Prof. Dr. Meier, kurz zusammengefasst: Zu welchem Ergebnis kamen Sie in Ihrer Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Abiturnoten und den Erfolgschancen im Ersten Staatsexamen?
In unserer Untersuchung, die auf Datenmaterial aus dem Jahr 2002 in Niedersachsen beruhte, kamen wir zu zwei Ergebnissen: Zum einen ermittelten wir, dass das Examensergebnis mit der ungewichteten Durchschnittsgesamtnote im Abiturzeugnis zusammenhängt. Je besser die Durchschnittsnote im Abitur ausfiel, desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass das Juraexamen bestanden wurde und desto höher war die im Examen erzielte Durchschnittspunktzahl. Dabei muss ich ergänzend sagen, dass es im Jahr 2002 noch kein Schwerpunktstudium gab. Die Juraprüfung war also ein rein staatliches Examen. Zum anderen ermittelten wir, dass das Examensergebnis auch mit einzelnen in den Oberstufenkursen erzielten Teilleistungen korreliert. Besonders deutlich war dieser Zusammenhang für Mathematik und die erste fortgeführte Fremdsprache, soweit es sich hierbei nicht um Latein handelte. Bei der Wahl für das Fach Latein ließ sich zwischen den Noten in den Oberstufenkursen und dem Erfolg im Jurastudium jedoch kein Zusammenhang nachweisen.
Es zeigte sich vor allem ein Zusammenhang zwischen den Noten im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich, jedoch nicht zwischen guten Deutschnoten und bestandenem Examen. Dabei wird der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit in der Juristerei oft eine größere Bedeutung beigemessen. Wir erklären Sie sich das?
In der Tat haben wir zwischen den Deutschnoten während der vier letzten Halbjahre vor dem Abitur und dem Bestehen des Juraexamens keinen Zusammenhang nachweisen können. Die Deutschnoten wirkten sich allerdings im Falle des Bestehens auf die erzielte Durchschnittspunktzahl im Examen aus. Dass die Deutschnoten den Erfolg im Jurastudium damit nur partiell vorhersagen konnten, hat uns selbst überrascht. Wenn man einmal davon ausgeht, dass die sprachliche Ausdrucksfähigkeit, also die Fähigkeit, sich schriftlich und mündlich genau und präzise ausdrücken zu können, im Examen eine wesentliche Rolle spielt, dann kann einer der Gründe darin liegen, dass genau diese Fähigkeit in den Deutschkursen nicht ausreichend vermittelt und geübt wird. Um dies genauer beurteilen zu können, müsste man ermitteln, welchen Stellenwert dem Textverständnis und der Ausdrucksfähigkeit in Oberstufenkursen beigemessen wird und wie dies in die Abiturnote einfließt.
Halten Sie es für möglich, dass Studierende, die in der Schule nicht sonderlich gut waren, einfach weniger Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und mit weniger Selbstbewusstsein ins Examen gehen – und das unter anderem auch eine Erklärung für diese Korrelation sein könnte?
Das mag durchaus so sein – wir haben das schlicht nicht erheben können. Auf der anderen Seite muss man sagen, dass jedenfalls die im staatlichen Teil anzufertigenden Klausuren weniger mit Selbstvertrauen zu tun haben als mit der Fähigkeit, den Sachverhalt möglichst schnell und richtig zu erfassen, die einschlägigen Rechtsprobleme zu erkennen, sich an einige Argumente zu erinnern und die Lösung mit einem guten Zeitmanagement innerhalb der vorgegebenen Zeit niederzuschreiben. Mit dem Selbstvertrauen hängt das vermutlich weniger zusammen als mit der Erfahrung, die man beispielsweise in Klausurenkursen mit der Bewältigung dieser unterschiedlichen Teilaufgaben gesammelt hat. Wenn man in dem geschützten Bereich von Klausurenkursen sieht, dass man mit diesen Herausforderungen gut zurecht kommt, dürfte sich auch bei sonst eher unsicheren Persönlichkeiten ein Gefühl dafür entwickeln, dass man diese Aufgaben auch im „echten“ Examen bewältigen kann. Der Schlüssel für den Erfolg dürfte deshalb eher darin liegen, dass man sich in den Klausurenkursen immer wieder dem Stress und der Unsicherheit aussetzt und versucht, damit fertig zu werden.
Was würden Sie Studierenden raten, denen Mathe und Deutsch in der Schule nicht sonderlich lag – kann ich meine Fähigkeiten im analytischem und logischem Denken irgendwie gezielt verbessern?
Selbstverständlich. Dass man in der Schule bestimmte Fächer nicht „gemocht“ oder geglaubt hat, den jeweiligen Anforderungen nicht gerecht werden zu können, kann ja vielfältige Ursachen haben, die nichts mit der kognitiven Leistungsfähigkeit zu tun haben. Auch ich selbst habe in der Schule den Deutschunterricht nicht „gemocht“ und mich mit den Erwartungen der Lehrerinnen und Lehrer schwergetan. Entscheidend scheint mir zu sein, dass man nicht dem Irrglauben unterliegt, dies „müsse so sein“ und man „könne es nicht“. Gerade im Jurastudium ist es wichtig, dass man sich den spezifischen Herausforderungen stellt, sich mit den Begriffen und Zusammenhängen auseinandersetzt, Verbindungslinien auch zu anderen Rechtsgebieten herstellt und sich immer darum bemüht, genau das auszudrücken, was man „wirklich meint“. Jede Universität bietet hierfür vielfältige Übungs- und Erfahrungsmöglichkeiten, die jede und jeder frei nutzen kann. Anders als in der Schule wird man in der Universität hierzu aber nie gezwungen. Eigeninitiative ist deshalb das A und O. Damit können Sie übrigens gleich beginnen. Warum A und O, warum nicht A und Z?
Herr Prof. Meier, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten.
Das Interview führte Jasmin Kröner.