Dazu eine kleine Geschichte von meinem eigenen Jurastudium. Ich habe ja in Heidelberg angefangen zu studieren. Das Durchschnittsalter der Kommilitonen lag bei 19-20 Jahren. Es gab ein paar, die vorher schon etwas anderes gemacht haben, wie z. B. Steward(ess) bei der Lufthansa oder als Bankkaufmann/-frau gearbeitet.
Ein Fallbeispiel für ein „spätes“ Jurastudium
Eine Kommilitonin, die war schon 27 oder 28 Jahre alt und hat vorher bei der Polizei in Hamburg gearbeitet. Das ist ja auch schon ein Job, bei dem man viel mit Recht und Gesetz zu tun hat. Das formt den Beruf ganz entscheidend. Was ist der Aufgabenbereich eines Polizisten, was darf er machen und was nicht.
In dieser Zeit als Polizistin hat sie gemerkt, dass sie das Thema Recht interessiert, es spannend findet und hat sich selbständig auf der theoretischen Ebene weitergebildet. Irgendwann kam sie an den Punkt, an dem sie in Frage gestellt hat, ein Leben lang Polizistin zu sein, ob das schon alles gewesen sein kann: „Ich will noch mal irgendwie wirklich tiefer in Jura eintauchen und das geht einfach nicht als Polizistin, so nebenher.“ Sie wollte es von Grund auf machen und hat ihren Job gekündigt, in der Universität Heidelberg eingeschrieben und hat dort Jura studiert. Sie hat ihr Jurastudium erfolgreich abgeschlossen und arbeitet jetzt als Anwältin im öffentlichen Recht.
Vorteil älterer Studenten
Sie war damals schon deutlich älter als alle anderen Kommilitonen, was ihr aber einen ganz entscheidenden Vorteil gebracht hat. Sie war nämlich deutlich fokussierter als alle anderen im ersten Semester. Das ist relativ einfach zu erklären. Wenn man direkt nach dem Abitur an die Universität kommt, ist dies erstmal ein komplett neuer Lebensabschnitt. Man ist raus von zu Hause, hat sein eigenes WG-Zimmer oder Wohnung. Ist auf sich alleine gestellt in einer vielleicht fremden Stadt, lernt neue Leute kennen, mit denen man feiert und ausgeht, z. B. auf den Uni-Partys. Was man auch alles mitnehmen soll, als Erfahrung. Mein Credo: Wenn man im ersten Semester schon acht Stunden am Tag lernt, dann ist man spätestens bei den Examensvorbereitungen ausgebrannt. Deswegen ist es ganz wichtig, solche Angebote wahrzunehmen und ein soziales Netzwerk aufzubauen. Dann hat man ein entsprechendes Umfeld, das einen auch durch schwierige Zeiten im Studium trägt.
Die ehemalige Polizistin war bereits auf einem anderen Level. Sie hat schon ihr eigenes Geld verdient und dann ganz bewusst entschieden, nochmal wirklich bei null anzufangen und Jura zu studieren und ist dort richtig tief einsteigen. Dadurch hatte sie einen ganz anderen Fokus. Sie hatte sich bereits ein Umfeld geschaffen mit einem Freundeskreis und Partner. Es war eine andere Lebenssituation als bei den Erstsemestern. Man ist sich bewusster, dass man sein Studium möglichst zügig erfolgreich beenden muss, aufgrund seines Alters. Man will schnell wieder dahin kommen, Geld zu verdienen.
Sprichwort: Arbeit dehnt sich in dem Umfang aus, wieviel Zeit zur Verfügung steht.
Dies ist ein schönes Beispiel, dass es die falsche Frage ist, ob man zu alt für ein Jurastudium ist. Es geht darum, was man mit seinem Leben anfangen will. Wenn man unzufrieden ist mit seiner Arbeit, nochmal was Neues machen möchte, eine akademische Ausbildung will, studieren und danach Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter werden will, dann ist das das Ziel. Die Frage nach dem Alter spielt dann keine Rolle für eine Anstellung. Man kann sich immer auch selbständig machen. Beim Staatsdienst kann es in einzelnen Bundesländern Limitierungen geben. Hier muss man im Vorfeld recherchieren, welches Eintrittsalter gilt.
Fazit: Für Jura ist man nie zu alt!
Wenn man diesen Traum hat, nochmal etwas anderes zu machen, dann sollte man diesen auch umsetzen, unabhängig vom Zeitaufwand oder der Energie, die es kostet. Denn es lohnt sich immer und es gibt nichts Erfüllendes, als ein Ziel zu erreichen, welches man sich gesetzt hat.
Und per se: man ist nie zu alt für irgendwas. Wenn ich mit meinem Leben unzufrieden bin, muss ich etwas ändern und wenn ich weiß wie, dann sollte man es angehen.
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